ein Reisebericht von Friedrich Stöhr
Eigentlich sollte diese Reise schon früher stattfinden, ich hatte aber immer wieder andere Ziele ausgewählt. Die diversen Berichte im Fernsehen machten mich schon lange neugierig auf das Land, das vor 28 Jahren noch in allen Zeitungen stand, allerdings unter dem traurigen Vorzeichen des Krieges. Auch die Nachbarländer Laos und Kambodscha mit dem weltbekannten Angkor Wat wollte ich sehen. Es wurde ein Kompromiss: eine Rundreise durch Vietnam vom Norden zum Süden und ein 5-Tage Besuch in Kambodscha. Die Reise beginnt am 26.März 2002.
Nach einem Zwischenstopp in Bangkok kommen wir am Abend in Hanoi an. Wir, das ist eine Reisegruppe des Veranstalters Windrose mit 10 Personen, einschließlich der deutschen und der vietnamesischen Reisebegleitung.
Große Überraschung: unser Visum für Vietnam ist nicht gültig, es fehlt ein Stempel. Diesen Stempel kann man uns hier nicht geben, es müssen neue Visa gekauft werden. Außerdem fehlt ein Koffer, es ist der der deutschen Reiseleiterin. Zwei Stunden später kommen wir dann in Hanoi im Horison Hotel an, einem tadellosen 4-Sterne Haus.
Zum Land: Vietnam ist flächenmäßig etwas kleiner als die Bundesrepublik und hat rund 77 Mill. Einwohner. Hauptstadt ist Hanoi mit etwa 3 Mill. Einwohnern, größte Stadt ist Ho Chi Minh City (Saigon) mit rund 6 Mill. Einwohnern. Neben den Vietnamesen leben noch 64 Minderheiten im Land, hauptsächlich in den Randgebieten. Alle haben ihre eigene Sprache. Überwiegend leben die Vietnamesen noch von der Landwirtschaft, es ist der weltweit zweitgrößte Exporteur von Reis. Unser vietnamesischer Reisbegleiter, Herr Dzung, verglich die Form des Landes mit einer Tragestange: im Norden und Süden befindet sich ein großer Reiskorb, in der Mitte die dünnere Landbrücke mit Gebirge.
Mit Hilfe ausländischer Investoren ist eine Industrie im Aufbau. Zum Beispiel werden in Hanoi japanische Motorräder und koreanische Busse montiert. Aber auch europäische Firmen haben sich bereits in Vietnam niedergelassen, die großen Werbetafeln entlang der Überlandstrassen tragen viele bekannte Namen wie SKF, Nokia, Philips, Siemens oder Ericsson.
Am nächsten Morgen starten wir zur Stadtbesichtigung Hanois. Zuerst die Pflicht: Besuch des Ho Chi Minh Mausoleums. Trotz des frühen Morgens haben sich schon einige Tausend Besucher in Einerreihen auf mehrere hundert Meter vor dem Eingang eingefunden. Der Platz vor dem Mausoleum ist abgesperrt, ein überdachter Weg führt direkt zu dem Monument. Unterwegs einige weiß uniformierte Polizisten, die für Ordnung sorgen. Viele Schulklassen sind unterwegs, auch Kinder aus der Vorschule werden hierher gebracht. Es geht zügig vorwärts, die Wartezeit ist gering. Man darf im Mausoleum nicht stehen bleiben, der Glassarg mit dem einbalsamierten Leichnam wird langsam umrundet und das Mausoleum wieder verlassen. Ho Chi Minh wurde gegen seinen Willen einbalsamiert, er wollte ein einfaches Begräbnis. In der Nähe des Mausoleums befindet sich die der ehemalige Palast des französischen Gouverneurs für Indochina, in dem Ho Chi Minh ab 1954 gearbeitet hat. In dessen Garten das einfache Gartenhaus, in dem er bis zu seinem Tod im September 1969 wohnte.
Die Vietnamesen sind alle sehr freundlich zu den Fremden. Man spricht öfters Englisch, selten Französisch. Eine große Anzahl Vietnamesen war zur Ausbildung in der DDR und hat dort Deutsch gelernt, so auch unser vietnamesischer Reisebegleiter, Herr Dzung. Er ist Lebensmittelchemiker, kann aber im Tourismus besser verdienen. Da kommt ihm die Kenntnis der deutschen Sprache zu gute.
Draußen ist es bewölkt aber warm. Die Strassen sind übervoll von Motorrollern und Leichtmotorrädern, gelegentlich sieht man auch noch Fahrräder und einige PKW. Eigentlich sollte rechts gefahren werden, es wird aber die Straßenmitte bevorzugt. Die meist vorhandenen Straßenmarkierungen sind mehr Dekoration. Man fährt nach Gutdünken, auch schon mal gegen den Verkehr. Einige wenige Ampeln werden respektiert, man kommt trotz aller Staus trotzdem vorwärts. Und es wird sehr viel gehupt, ein Fahrzeug ohne Hupe ist nicht verkehrstüchtig!
Die Vietnamesen sind Meister im transportieren von Lasten auf Zweirädern. Mit unglaublichem Einfallsreichtum werden alle nur denkbaren Gegenstände mit Fahrrad oder Motorrad transportiert. Da sitzt ein Sozius auf dem Motorrad und hat auf dem Rücken noch sein Fahrrad, oder zwei junge Männer fahren auf dem Motorrad und haben hinten zwei Kälbchen mit zusammengebundenen Füßen und die Köpfe nach unten über die Sitzbank hängen. Lebende Schweine werden quer auf die Sitzbank gelegt, Hühner hängen im Bündel mit zusammengebundenen Füßen am Lenker. Aber auch lange Rohre, Bambusstangen oder dicke Säcke werden befördert und eventuell wird dabei noch mit dem Handy telefoniert. Ja, Handys sind der große Trend in Vietnam! Meist sind es, wie bei uns, junge Leute, aber auch die Busfahrer und Reisebegleiter haben eines. Zunächst glaubt man, die Verkehrsteilnehmer würden gegeneinander fahren, es ist aber ein großes Miteinander! In Deutschland völlig undenkbar. Nur für Fahrzeuge mit mehr als 100 ccm ist ein Führerschein erforderlich. Ein Leichtmotorrad der bevorzugten japanischen Marke Honda kostet rund 500 Euro.
Apropos Geld: man muss manchmal und man kann überall in US-$ bezahlen. Aber auch ein Umtausch ist problemlos und ohne Umtauschquittung möglich: 1 Euro = 12 500 Dong, 1 US-$ = 15 200 Dong. Die Scheine sind durchaus handlich, es gibt keine Münzen. Die kleinsten Scheine sollen 100 Dong sein, ich habe nur 1000 Dong gesehen.
Seit der neuen Politik (Doi Moi) 1994 ist die Wirtschaft nicht mehr reguliert. Es gibt keine Karten oder Bezugscheine, jeder kann, je nach Kasse, alles kaufen. Auch Benzin steht ohne Limit zur Verfügung. Vietnam hat auf den vorgelagerten Spratley-Inseln Rohölvorkommen, aber keine Raffinerie. Daher muss das Öl exportiert und als Benzin oder Dieseltreibstoff wieder eingeführt werden. Zurzeit wird der Bau einer Raffinerie geplant. Benzin kostet etwa 0.70 € pro Liter Super. Die meisten der zahlreichen Tankstellen gehören der vietnamesischen Firma Petrolimex, es gibt aber auch ESSO, SHELL und CALTEX. Daneben gibt es an den Strassen viele Mini-Tankstellen: Stände mit Flaschen mit 1 Liter gelb-braunem Inhalt. Das ist Gemisch, wie es die Zweitaktmotoren benötigen. Den Preis dafür konnte ich nicht erfahren.
Für die Benutzung mancher Brücken und autobahnähnlich ausgebauter Schnellstraßen muss eine geringe Maut bezahlt werden. Zuerst kommt ein telefonzellengroßes Häuschen mit zwei Personen. Eine hat den Block mit den Tickets, die andere bringt das Ticket zum Fahrzeug und verkauft es dem Fahrer oder Beifahrer. Dann passiert man eine Sperre, an der wieder zwei Leute Dienst machen: einer nimmt das Ticket entgegen, der andere kontrolliert und legt es ab. Vietnam hat eine Arbeitslosenrate von nur 7 %.
Hanoi ist über 2500 Jahre alt, eine der ältesten Städte der Welt. Sie hat viel gesehen, wurde mehrfach durch ausländische Streitmächte besetzt und hat alles, auch die amerikanischen Bombenangriffe, überstanden. Was auffällt ist das viele Grün, das spätestens ab der ersten Etage die Häuser ziert. Kein Fenster oder Balkon in dem nicht üppige Grünpflanzen wuchern. Eine Reihe alte Kolonialhäuser aus der Zeit der französischen Besetzung sind noch vorhanden. Die Straßen in Hanoi sind nach Berufen geordnet: da sind die Handwerker, die Bäcker, die Gewürzhändler und dazwischen immer wieder kleine Imbissstände. Am beliebtesten ist die Nudelsuppe mit entweder Rindfleisch oder Huhn oder auch nur Gemüse. Preis: ca. 10 000 Dong.
Dazu trinkt man Tee oder Bier, es gibt einheimisches Hanoi-Bier, das man gut trinken kann. Auch Tiger-Bier ist beliebt und etwas teurer.
In den Strassen und Gassen immer wieder die Schilder der Läden mit meist nur zwei kurzen Worten. Die vietnamesische Sprache ist entfernt mit dem Chinesischen verwandt und benutzt 6 verschiedene Betonungen. Man schreibt lateinische Buchstaben mit Betonungszeichen über oder unter dem betreffenden Buchstaben. Da gibt es Akzente, Schüsselchen, Dächlein und halbe Fragezeichen über den Buchstaben und Punkte darunter. Das einzige Wort, das man erkennen kann ist ‚BIA'. Wer errät es? Es ist Bier. Die Worte haben eine maximale Länge von 6 Buchstaben, längere Worte werden einfach geteilt. HOT TOC ist nichts zu essen, das ist im Norden der Herrenfriseur. CAM ON kommt nicht aus dem Englischen, es heißt Danke. KHONG ist Nein, wichtig bei den manchmal aufdringlichen Postkarten- und Souvenirverkäufern. Schwieriger ist die Begrüßung: abhängig davon, ob es ein älterer oder bedeutenderer Mensch und Mann oder Frau ist, sind die Worte unterschiedlich.
In der Altstadt Hanois trifft man immer wieder unvermittelt auf eine Pagode oder einen buddhistischen Tempel. Jeder hat freien Zutritt, viele Vietnamesen zünden Räucherstäbchen an und verweilen zu einem Gebet.
Es fallen die vielen Frauen auf, mit den typischen Tragestangen, an denen zwei Körbe hängen. Sie bringen landwirtschaftliche Produkte aus der Umgebung oder auch gekochten Reis und kleine Mahlzeiten in die Strassen und Gassen.
Am Abend besuchen wir noch das bekannte Wasserpuppentheater. Die Puppenspieler stehen, für den Zuschauer unsichtbar, bis zu den Hüften im Wasser und steuern über Stangen und Schnüre die phantasievollen Puppen auf der Wasserfläche. Es ist ein Erlebnis, diese Vorstellung in Wirklichkeit zu sehen, die Fernsehdarbietung ist nur halb so eindrucksvoll.
Nach dem Theater haben wir unser 5-gängiges Dinner. Nach der Suppe und den Vorspeisen isst man vorzugsweise Fisch oder Meeresfrüchte wie Krabben, Langusten oder Tintenfisch mit Reis und Kartoffeln sowie Gemüse. Falls Fleisch serviert wird ist es entweder Huhn, Schweine- oder Rindfleisch. Unser Reisebegleiter vertraut uns an, dass das Rindfleisch wahrscheinlich Wasserbüffel sei. Den Abschluss bilden Früchte oder Cremé Caramel. Ein sehr reichliches und leckeres Abendessen.
Als nächstes steht eine Fahrt mit der Schmalspur-Eisenbahn nach Hai Phong zu der bekannten Halong-Bucht mit den Karstbergen. Sie gehört inzwischen zum UNESCO-Welterbe. Wir fahren echte ‚Holzklasse' zusammen mit den Vietnamesen. Es gibt keine Glasscheiben, die untere Hälfte der Fenster ist vergittert, die obere wegen der Sonne abgedeckt. Im Waggon gibt es einen Imbiss- und Getränkeservice, an den Haltepunkten stehen viele Verkäufer und bieten ihre Speisen an.
Links und rechts der Gleise breiten sich fast endlos saftig grüne Reisfelder aus. Man kann im Norden zwei Ernten, im Süden drei Ernten einbringen. Reis wird gesät, nach etwa 10 Tagen werden die Sprösslinge herausgezogen und in einem anderen Feld in Bündeln zu 5 oder 7 in geraden Reihen in die unter Wasser stehende Erde gesteckt. Nach etwa 90 bis 100 Tagen ist der Reis reif und kann entweder mit der Hand oder einer Maschine geerntet werden. Oft wird noch auf dem jetzt trockenen Feld der Reis mit einfachen fußbetriebenen Maschinen gedroschen und von den gröbsten Spelzen befreit. Dann wird der Reis getrocknet, indem man ihn auf die Strasse legt. Meist weichen die Fahrer aus, oft fährt aber auch ein Fahrzeug über den Reis. Nach der Trocknung, die mehrere Tage dauern kann und während der der Reis öfters gewendet werden muss, werden die Hülsen von den Körnern entfernt. Danach wird der Reis gewaschen und nochmals getrocknet, diesmal nicht auf der Strasse.
Vor der Ernte hat der kluge Bauer Enteneier ausbrüten lassen und treibt nun die jungen Enten auf das abgeerntete Feld, wo diese die bei der Ernte heruntergefallenen Reiskörner fressen. Während der Wachsperiode des Reises werden die Enten auf die Reisfelder getrieben, wo sie kleine Frösche, Würmer und Schnecken fressen, die ihrerseits die Reispflanzen abfressen würden.
Aber es wird nicht nur Reis angebaut: Bananen, Erdnüsse, Mais, Süßkartoffeln, Tabak und Zuckerrohr sieht man überall auf den Feldern. Aber auch Kokospalmen, Cashewnüsse, Ananas, Kaffee, natürlich Tee und sogar Kautschukbäume wachsen im Lande.
Hai Phong ist die drittgrößte Stadt Vietnams. Es gibt einen großen Hafen und das Delta des Roten Flusses. Nur wenige Brücken sind verfügbar, also werden die Flussarme mit meist überladenen Fähren überquert. Fast immer sind die Fahrzeuge in der Überzahl, nur wenige Fußgänger benutzen die Fähre. Die Stadt hat auch mehrere Märkte, unter anderem einen großen Blumenmarkt. Hier werden für einen geringen Preis kunstvolle Blumengestecke für verschiedene Anlässe kreiert. Wir haben nicht herausfinden können, was mit den nicht verkauften Blumen am Abend geschieht. Bei einer Tempelbesichtigung werden die vorher gebrachten Opfergaben verteilt und auch wir bekommen als Besucher Bananen als Geschenk mit einer würdigen Geste überreicht.
Mit einem Motorboot befahren wir die märchenhaft schöne Bucht und schlemmen bei einem ausgezeichneten Mittagessen mit Meeresfrüchten aller Art. Auch eine Höhle in einem der Berge kann besichtigt werden. Hier haben viele Seevögel ihre Nester gebaut.
Am Nachmittag fahren wir mit unserem Bus wieder zurück nach Hanoi.
Die Vietnamesen können keine Grundstücke kaufen, nur pachten (Erbpacht). Die normale Grundstücksgröße ist 100 qm. Der Preis errechnet sich nach dem Anteil an der Straßenfront. Ein Standardmaß ist 4 m, die Fläche nach hinten ist dann 25 m lang. Die Häuser werden normalerweise zweigeschossig wie Reihenhäuser aneinander anschließend gebaut. Manche stehen auch noch ohne ‚Nachbarn' allein da und haben an den Seiten Fenster. Baut aber dort ein Nachbar, dann entfallen die Fenster. Interessant ist auch die Methode, dass man im ersten Obergeschoss das Haus breiter als unten baut. So ist es teilweise auch bei den deutschen Fachwerkhäusern im Mittelalter gemacht worden. Es gibt aber auch repräsentative aufwendig gebaute größere Häuser mit breiten Straßenfronten von offensichtlich gut betuchten Besitzern. Es ist immer ein Balkon und eine Dachterrasse beim Haus.
Es gibt natürlich auch Friedhöfe in Vietnam. Je nach Religion sind die Flächen verteilt. Die alten buddhistischen Bauern wollen aber auf ihrem Land in den Reisfeldern begraben werden. Daher sieht man immer wieder kleine hausartige Bauten mitten im Feld. Was es damit auf sich hat erkennt man erst wenn man nahe heran geht. Die Ahnenverehrung ist Tradition und die Grabhäuschen sehen manchmal wie kleine Tempel aus. Opfergaben und Räucherstäbchen findet man aber wir sahen nie eine Person, die an dem Häuschen war.
Beim Durchfahren von Ortschaften sieht man auf jeder noch so kleinen Hütte eine Fernsehantenne, oft in sehr exotischen Konstruktionen. Es gibt drei nationale Fernsehprogramme, in den Grenzregionen werden zusätzlich noch die Programme von Laos und Kambodscha empfangen. Unsere Hotelzimmer sind alle, auch die beiden einfacheren Unterkünfte, mit TV-Geräten mit Satellitenempfang ausgerüstet. Man sieht CNN, BBC, manchmal auch die Deutsche Welle, thailändische, japanische, chinesische, russische und französische Programme.
Ein weiterer Ausflug führt uns in die ‚trockene Halong Bucht' etwa 120 km südlich Hanois. Dort fließt ein Fluss durch die Ebene, auf dem wir in Ruderbooten zu den Höhlen von Tam Coc gerudert werden. Die Karstberge sind ähnlich märchenhaft wie die in der Hai Phong Bucht.
Am nächsten Tag sollten wir um 8 Uhr mit dem Flugzeug in die alte Kaiserstadt Hue fliegen. Am Vorabend kommt ein Anruf, der Flug ginge bereits um 7 Uhr morgens. Also stehen wir rechtzeitig auf und fahren zum Flughafen. Dort erfahren wir, dass das Flugzeug defekt ist und erst am Abend fliegen wird. Der Bus ist schon weggeschickt, aber dank Handy kann der Fahrer zurückbeordert werden und wir treten die etwa 600 km lange Fahrt im Bus an. Es ist nicht gerade ein Genuss die vielen Schotterstrecken auf den Baustellen der N1 zu passieren, außerdem liegen zwei Gebirgspässe auf der Strecke. Unser Busfahrer ist aber sehr ausdauernd und meistert die Strecke in 15 Stunden. Eine mittlere Strapaze, aber wir sind jedenfalls da.
Unsere Fahrt in den Süden Vietnams geht entlang der N1 (Nationalstrasse 1), sie ist die Schlagader des Fernverkehrs. Die Strecke Hanoi - Saigon ist etwa 1700 km lang. Teilweise ist die N1 recht gut ausgebaut, oft sind aber lange Baustellen von 20 oder 30 km dazwischen und das ist extrem holprig. Der Fernverkehr ist sehr lebhaft, die Busse sind meist überladen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt bei etwa 45 km/h. Parallel zur N1 verläuft die einspurige Eisenbahn, sie braucht von Hanoi bis Saigon etwa 60 Stunden und kostet umgerechnet etwa 10 €. Es gibt auch einen teureren Expresszug, der braucht nur ca. 32 Stunden für diese Strecke. Abseits der N1 sind die Strassen in keinem guten Zustand, Motorräder haben die geringsten Probleme sie zu befahren.
Hue war während des Vietnamkrieges sehr oft in den Zeitungen zu lesen wegen der schweren Kämpfe um die alte Kaiserstadt. Dabei wurden leider auch große Teile des Kaiserpalastes, der eine sehr große Ähnlichkeit mit der ‚verbotenen Stadt' in Peking hat, zerstört. Durch umfangreiche internationale Hilfe konnte ein Teil des Palastes wieder rekonstruiert und aufgebaut werden. Leider wurde auch ein umfangreicher Teil der Inneneinrichtung und der Ausstattung unwiederbringlich zerstört.
Nach der Palastbesichtigung machen wir auf dem Fluss eine Bootsfahrt zur Thien Mu Pagode, die im Krieg unbeschädigt blieb.
Auffallend sind in allen Landesteilen die gut restaurierten oder neu gebauten katholischen Kirchen. Es gibt keine Kirchensteuer, alles wird durch Spenden der Gemeindemitglieder bezahlt.
Ab Hue bekommen wir einen neuen Bus mit Fahrer und Beifahrer. In einem Ort fährt unser Fahrer 18 km schneller als erlaubt und wird prompt von der Polizei mit einer Radarpistole gestoppt. Macht eine Strafe von 200 000 Dong, sofort zahlbar!
An der Strecke nach Süden liegt auch das berüchtigte My Lai. Man zeigt uns die Gedenkstätte für das Massaker, bei dem am 16.März 1968 504 Frauen, Kinder und alte Männer von GI's ermordet wurden. Ein bei der Aktion anwesender amerikanischer Pressefotograf brachte das Verbrechen an die Öffentlichkeit. Der verantwortliche amerikanische Offizier wurde zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt, aber schon nach einem Jahr von Präsident Nixon begnadigt.
Die N1 führt jetzt sehr oft direkt an der Küste entlang und zeigt herrliche einsame Badestrände. Wenn wir Zeit hätten wäre ein Bad eine sehr willkommene Erfrischung. Die Tagestemperaturen liegen noch bei etwa 35 Grad C. Die Weiterfahrt bringt uns nach Da Nang. Dort können wir die Ausgrabungen und die Ruinen von My Son aus der hinduistischen Cham-Zeit besichtigen. Hier, wie auch bei den anderen Ausgrabungen, sind meist ausländische Archäologen aktiv.
Da Nang war auch ein Name in den Kriegsberichten. Es war einer der Häfen, in denen die USA ihr Kriegsmaterial anlieferten. Inzwischen gibt es hier einen langen, fast leeren Sandstrand und breite Uferstrassen. An den modernen Straßenlaternen sind noch die Lautsprecher aus der streng kommunistischen Zeit angebracht. Heute werden Bekanntmachungen für Veranstaltungen und manchmal auch Musik übertragen. Zum Beispiel für die morgendlichen Tai Chi Gymnastik-Übungen, die die Vietnamesen zum Tagesbeginn genauso gerne wie die Chinesen machen.
Die Schülerinnen und Schüler tragen in Vietnam Uniformen. Besonders bezaubernd sehen die Oberschülerinnen aus: sie tragen die Landestracht Au Dai in Weiß. Das ist eine hochgeschlossene Bluse mit langen Ärmeln, an die vorne und hinten eine Art Schürze bis fast zum Boden angenäht ist. Darunter werden lange weitgeschnittene weiße Hosen getragen. Auf dem Kopf wird entweder der traditionelle kegelförmige Strohhut oder auch eine Mütze getragen. Oft binden sie sich ein Tuch vor Mund und Nase, zum einen wegen des Staubs und außerdem will man nicht braun werden! Weiße Haut ist ein Zeichen der Vornehmheit, Braun sind Bauern und andere Leute, die im Freien arbeiten müssen. Wenn man diese Mädchen sieht, glaubt man erst an Krankenschwestern oder religiöse Helferinnen. Die schlanke Figur tut ein Übriges und die Mädchen sehen einfach zauberhaft aus. Fahren sie auf dem Fahrrad, dann wird die vordere ‚Schürze' mit einer Hand am Lenker festgehalten, die hintere ‚Schürze' flattert lustig im Wind. Die Rahmen der vietnamesischen Fahrräder sind anders als die europäischen konstruiert, man sitzt ganz aufrecht und das macht dabei eine sehr würdige Figur.
Hoi An ist ein Ort mit einem wunderschönen fast leeren Sandstrand. Hier wohnen wir in einem Beach Resort in einer sehr großzügigen Parkanlage. Man hat sich auf die ständig zunehmende Zahl von Touristen aus Europa, Amerika, China und Japan eingestellt, nur die freundlichen Angestellten sind Einheimische. Morgens sind die Fischer auf dem De Vong Fluss, der am Resort vorbei ins Meer fließt, mit den Wurfnetzen beim Fischfang. Hier kann man noch sehr idyllische Fotos machen.
Nah Trang, eine Küstenstadt, ist die nächste Station auf unserer Rundreise. Hier steht wieder eine Bootsfahrt auf dem Programm, die uns zu einer Insel mit einem großen Aquarium bringt. Große Fische wie Haie und viele exotische Fische sind dort zu sehen, in Freilandbecken schwimmen große Meeresschildkröten. Das ozeanische Museum zeigt extreme Exemplare aus dem Wasser der Bucht.
Nun machen wir einen Abstecher nach Dalat, es liegt etwa 1500 m hoch und hat ein für uns sehr angenehmes Klima. Die Einheimischen tragen alle Jacken und machen den Eindruck als ob sie frieren. Auch die Franzosen haben das angenehme Klima geschätzt und hier etliche große Häuser gebaut. Erstaunlicherweise haben die Vietnamesen nur wenige übernommen, sie sind teilweise verfallen und heruntergekommen. Sehenswert ist der botanische Garten mit einer Vielzahl tropi-scher Blumen, Pflanzen und Bäume. Auch der Markt hier in Dalat hat seine eigene Note, hier werden mehr Tiere als Obst und Gemüse angeboten.
Wir wohnen im Novotel und hier scheint die Küche eine Besonderheit zu haben: Nach dem Frühstück gibt es bei der Hälfte der Gruppe erhebliche Verdauungsprobleme. Wir können die Ursache nicht klären, lediglich Abhilfe schaffen.
Endlich erreichen wir Ho Chi Minh City (Saigon). Schon viele Kilometer vor der Stadt beginnen die Reklametafeln für alle denkbaren Erzeugnisse. Auch Maggi und Knorr sind bei den leidenschaftlichen Suppenessern präsent. Auffällig auch der häufige Hinweis auf ISO 9002 (Qualitätskontrolle). Das war vor etwa 10 Jahren Thema in Deutschland. Man hat nicht den Eindruck, in einem sozialistischen Land zu sein. Es gibt nur noch selten die sattsam bekannten roten Transparente der Partei, auch die politischen Plakate beschränken sich auf die Empfehlung der Zweikind-Ehe und die Ankündigung der nächsten Wahl im Mai. Wir wohnen im bekannten Rex Hotel mitten in der Stadt. Von hier aus haben wir alle Möglichkeiten für Erkundungen. Die Dachterrasse des Rex bietet einen ausgezeichneten Rundblick und ist für einen Drink am Abend sehr beliebt. Saigon wurde nicht stark vom Krieg betroffen, sehr viele Kolonialbauten wie die Kirche Notre Dame de Saigon, das bemerkenswerte über einhundert Jahre alte Postamt, das Theater und mehrere Marktgebäude sind renoviert und strahlen den alten Glanz der französischen Zeit aus.
Der Regierungspalast des letzten südvietnamesischen Präsidenten Nguyen ist jetzt Museum. Man zeigt die Repräsentations- und Konferenzräume, die Küche und auch den Keller, der ein Bunker war. Hier sind noch die Reservesender für Radio Saigon zu sehen, die Kommandoräume und die Telefonzentrale. Bemerkenswert: die Wände des Kellers sind alle mit Eisenblech verkleidet, vielleicht zur Abschirmung. Im Vorhof des Palastes stehen zwei Panzer der siegreichen Viet Khong Truppen.
Hier in Saigon ist der Verkehr noch etwas chaotischer als in Hanoi. Als Fußgänger gibt es nur die Möglichkeit, mutig und konstant vorwärts den Verkehr zu durchqueren. Wir haben es überlebt. Cholon, das Chinesenviertel, ist wohl der bekannteste Teil von Saigon. Hier finden sich die meisten Geschäfte und Märkte wohl von ganz Vietnam. Es gibt wohl nichts, was man hier nicht kaufen kann. Aber auch kulturell ist Cholon bedeutend: Hier haben die Chinesen einst die ersten buddhistischen Tempel in Vietnam errichtet, die auch heute noch besucht werden.
Ein Bummel zu Fuß zeigt erst richtig die Details des Lebens auf den Straßen. So braucht zum Beispiel ein Straßenfriseur nur drei Nägel in einer Mauer für seinen "Salon", zwei für eine Ablage und einen für einen Spiegel. Davor steht ein niedriger Hocker und ein einer kleinen Tasche hat der Meister Schere und Pinsel mitgebracht. Daneben sitzt der Kunde des Ohrenausputzers. Mit einem dünnen Stäbchen werden für wenige Dongs die Ohren gereinigt. Allerdings ist es bei dem spärlichen Licht im Schatten eines Laubbaums wohl nicht ganz einfach, dem Kunden nicht weh zu tun. Pausenlos wird der Transport mit dem Cyclo oder der Sozius auf einem Leichtmotorrad offeriert. Aber auch andere Dienstleistungsangebote bekommen die Touristen zugerufen...
Natürlich ist der Markt das farbenfreudigste Ereignis. Die Händler sind nicht aufdringlich, man kann auch ohne weiteres eine Probe von deren Waren haben.
Am Abend haben wir noch eine Dinner-Cruise auf dem hier sehr breiten Saigon River. Da aber die Verdauungsbeschwerden bei einigen Mitreisenden noch anhalten, nimmt nur die Hälfte der Gruppe daran teil. Das ausgezeichnete Essen wird auf dem Oberdeck serviert und eine leichte Brise bringt etwas Abkühlung. Es hat um 19 Uhr immer noch fast 30 Grad Lufttemperatur. Mit uns sind noch etwa hundert weitere Gäste an Bord. Nach zwei Stunden sind wir wieder am Anlegeplatz, wo uns eine größere Menge neugieriger Zuschauer empfängt.
Ein letzter Ausflug bringt uns etwa 150 km südöstlich Saigons ins Delta des Mekong Flusses. Unterwegs besuchen wir einen Tempel der Cao Dai Religion. Diese gibt es nur in Vietnam, sie vereinigt Buddhismus, Hinduismus, Christentum und Islam in einer Gemeinde. Da sind Buddha, Mohammed, Christus und Konfutsius die ‚Heiligen' und alle Religionen werden gleich behandelt. Diese Religion wurde in der 20er Jahren des letzten Jahrhunderts gegründet und hat hier viele Anhänger.
Vinh Long heißt der Ort, in dem wir übernachten. Wie auch in vielen anderen Orten, stellt man hier noch Überbleibsel des Vietnamkrieges auf einer Freifläche aus. Hier ist es ein Düsenflugzeug der Amerikaner, das die Viet Khong abgeschossen haben, und einige Panzerfahrzeuge, ebenfalls Hinterlassenschaften der USA.
Mit einem Boot fahren wir zu einer Insel im Delta, auf der eine Baumschule tropische Bäume heranwachsen lässt. Danach besuchen wir eine Popcorn und Popreisfabrik und die schwimmenden Märkte im Delta. Hier bieten Bauern ihre Erzeugnisse an, man bleibt solange, bis alles verkauft ist. Das kann Tage dauern und die Boote sind wohnlich eingerichtet, manchmal ist sogar ein Fernseher an Bord. Eigentlich hatte ich etwas mehr über die Bewohner des Deltas erfahren wollen, es blieb aber bei den üblichen Touristeninformationen.
Nach der Rückfahrt wohnen wir noch eine Nacht im Rex Hotel in Saigon. Das Abschlussessen findet im bekannten Restaurant ‚Chateau' statt. Es gibt ein ausgezeichnetes 6-gängiges Dinner mit künstlerisch dekorierten Platten und ein Klavierspieler sorgt für die musikalische Untermalung. Den Rest des Abends verbringen wir auf der Dachterrasse des Rex.
Am darauffolgenden Tag wird in Saigon noch eine Stadtrundfahrt mit dem Cyclo (Fahrradrikscha, Passagier vorne - Fahrer hinten) gemacht. Man darf nicht schreckhaft sein, wenn man direkt mit den anderen Verkehrsteilnehmern auf kürzeste Distanz zusammenkommt. Aber es passiert nichts, die Cyclo-Fahrer sind sehr erfahren. Hier trennt sich die Gruppe, 8 Personen fliegen via Bangkok zurück nach Deutschland und zwei nach Kambodscha um Angkor zu besuchen.
Beim Einchecken in Saigon werden gleich am Zugang des Flughafens Koffer und Handgepäck durchleuchtet. Wie ich sehen konnte saß aber niemand vor dem Monitor während unsere Koffer durchliefen... Hier, wie auch bei anderen Flughäfen, wird eine Flughafensteuer von 20 US $ kassiert, vielleicht für Sicherheitsmehraufwand?
Siem Reap heißt der Ort mit dem Flughafen nahe Angkor Wat. Aus Saigon kommend treffen wir zusammen mit einer französischen Reisegruppe am Abend ein. Leider werden wir nicht, wie erhofft, abgeholt und nehmen eines der wartenden Taxis in die etwa 8km entfernte Stadt.
Das Hotel Ta Prohm war eines der beiden ersten in der Stadt, heute sind es schon 60 Hotels, die die zahlreichen Besucher von Angkor Wat, Angkor Thom und den vielen Tempeln in der Umgebung beherbergen. Später kommt unser kambodschanischer Begleiter ins Hotel und stellt sich vor. Herr Lorn hat ebenfalls in der DDR seine Ausbildung erhalten. Am kommenden Tag werden wir beiden Besucher zusammen mit Herrn Lorn in einem PKW die Besichtigungen in Angkor Wat, dem Bayon und Angkor Thom machen.
Es ist der erste Tag des Khmer Neujahrsfestes nach dem Mondkalender und gleichzeitig der Beginn der Regenzeit. Eine sehr große Zahl von Kambodschanern ist hierher gekommen um das dreitägige Fest zu feiern. Lastwagen, überladen mit Besuchern, und die überall vorhandenen Leichtmotorräder mit bis zu 6 Mitfahrern füllen die Strassen. Schon am frühen Morgen ist ein Gewirr von Menschen unterwegs. Ab 8 Uhr wird es schon warm, die Tagestemperaturen liegen bei über 35 Grad C. Manchmal regt sich kein Lüftchen und man schwitzt sofort bei jeder Bewegung. Überall wird Trinkwasser in Plastikflaschen verkauft, man kann alles mit US-$ bezahlen. Es ist die zweite Währung im Lande. Der Eintritt zu den Ausgrabungen des größten Tempels der Welt kostet für Ausländer für drei Tage 40 US-$. Man muss ein Passbild mitbringen und bekommt einen laminierten Ausweis. Der wird am Eingang kontrolliert und pro Tag einmal gelocht. Kambodschaner haben freien Eintritt.
Vorbei am Baray-See kommt man nach Angkor Wat, dem größten Sakralbau der Welt. Die vom Dschungel befreiten Monumentalbauten der Khmer sind sehr eindrucksvoll aber nicht leicht zu bezwingen. Von Angkor Wat, erbaut im 13.Jahrhundert vom Khmerkönig Jajawarmann VII, sind meist nur drei der fünf Türme zu sehen. Es stellt den heiligen Berg Meru dar. Die Silhouette ziert übrigens auch die Nationalflagge Kambodschas. Schmale aber steile und manchmal stark beschädigte Stufen führen zu den oberen Plattformen von Angkor Wat. Die Gehwege sind oft sehr uneben und man muss sich vorsichtig bewegen um nicht zu stürzen. Auf den endlos langen umlaufenden Reliefs sind Darstellungen der Schlachten der Khmer gegen die Thais und die Siegesparaden in Stein gemeißelt. Man erkennt an den Haartrachten deutlich die verschiedenen Völkerschaften. Auch Szenen aus dem Ramajana Epos sind zu sehen mit der Affenarmee des Hanuman die Sita, die Gattin Ramas, aus der Gewalt des Dämonen auf Sri Lanka befreit und immer wieder die grazil dargestellten Apsara Tänzerinnen.
Von der damaligen Hauptstadt Angkor Thom sind noch zahlreichen Tempel aus den verschiedenen Epochen zu sehen. Die Häuser der Bewohner, es sollen damals etwa 1 Million gewesen sein, sind nur noch Fundamente erhalten. Die Häuser waren aus Holz. Trotz der zahlreichen Bibliotheken sind keine Schriften überliefert. Aber im 12.Jahrhundert bereiste ein chinesischer Händler dieses Land und seine Aufzeichnungen enthalten die einzigen detaillierten Hinweise auf das Leben im damaligen Khmerreich.
Sehr eindrucksvoll ist auch der guterhaltene Bayon, der in der Zeit des Übergangs der Khmer vom hinduistischen zum buddhistischen Glauben errichtet wurde. Natürlich steht die Sonne meist falsch zum Fotografieren aber man kann nicht immer zum Zeitpunkt des besten Lichts vor Ort sein.
Da die Dschungelpflanzen bei den günstigen klimatischen Bedingungen alles überwuchern, sind ständige Arbeiten an den Bauwerken erforderlich. Einen Tempel, den Prea Kahn, hat man aber so überwachsen belassen, wie ihn die Wiederentdecker gefunden haben. Hier sieht man die Macht der Natur im vollen Ausmaß. Leider haben Diebe schon viele Teile der Skulpturen wie Köpfe oder auch ganze Figuren gestohlen. Im archäologischen Museum in Phnom Penh sind noch einige wenige Stein- und Bronzefiguren zu sehen. Trotzdem ist es erstaunlich, wie viel trotz der Wirren der letzten 50 Jahre noch erhalten geblieben ist.
Noch vor wenigen Jahren waren weite Teile von Angkor vermint, die Roten Khmer hatten sich teilweise in diesem Gebiet verschanzt und lieferten sich Kämpfe mit den Regierungstruppen und den Vietnamesen. Einschussspuren sind noch allenthalben zu sehen. Auch die Umgebung ist noch nicht völlig von den vielen Minen gesäubert, die durch die Roten Khmer gelegt wurden. Man sieht noch viele durch Minenexplosionen verstümmelte Menschen, hauptsächlich Kinder.
Es gibt nicht viele PKW in Kambodscha, und wenn man einen sieht, dann ist es mit großer Wahrscheinlichkeit ein Toyota Camry. Diese Modelle sind sehr beliebt, fast alle Baujahre sind vertreten, links- als auch rechtsgesteuert. Wie man uns sagt, sind die rechtsgesteuerten Wagen in Thailand gestohlen und ohne Papiere für etwa 4000 US-$ zu haben. Eigentlich müssten die rechtsgesteuerten Wagen umgerüstet werden (man fährt in Kambodscha rechts), das kostet aber etwa 1000 US-$ und wird nicht kontrolliert. Die Polizei kommt nur zu Unfällen und für 5000 Riel (etwa 1,5 US-$) kann man weiterfahren. Auch Nummernschilder sind nicht an jedem Auto, man fährt ohne Zulassung und Steuer. Kfz-Versicherung ist unbekannt, man fährt einfach sehr vorsichtig um Unfälle zu vermeiden... Sollte doch etwas passieren, muss der Schaden vom Verursacher selbst bezahlt werden.
Jeden Samstag um 19:15 gibt der Schweizer Arzt und Professor Beat Richter ein Cellokonzert in dem von ihm betriebenen Kinderkrankenhaus. Er nennt die kostenlose Veranstaltung "Beatocello" und dabei sammelt er Spenden für dieses und zwei weitere Kinderkrankenhäuser in Phnom Penh, in denen er Kinder kostenlos behandelt. Das größte Problem ist die Tuberkulose, Auswirkung der Kriegszeit mit Unterernährung und Infektionen. Aber auch Verletzungen durch die noch immer vorhandenen Minen sind häufig. Prominente Gäste sind unter den Besuchern, an diesem Tag der französische Schauspieler Gerard Depardieu, der, wie wir später hören einen Scheck über 2 Mill. US-$ hinterlassen hat. Prof. Richter ist ein sehr engagierter Idealist, schon vor der Regierungszeit der Roten Khmer hat er zwei Krankenhäuser errichtet und gleich nach den Roten Khmern ist er wieder ins Land gekommen, um die Krankenhäuser weiterzuführen und finanziell zu unterstützen.
Gerard Depardieu sitzt mit uns am nächsten Tag auch ganz unauffällig in der Propellermaschine nach Phnom Penh. Dort holt uns Frau Pahl ab, auch sie hat in der früheren DDR Deutsch gelernt und in Berlin studiert. Das komfortable Hotel Cambodiana ist unsere Unterkunft, es liegt direkt am Mekong Fluss. Äußerlich gleicht das Hotel dem Königspalast, den wir an nächsten Tag besichtigen wollen.
Phnom Penh hat viele sehr breite und repräsentative Boulevards, entlang des Flusses ist eine schöne Uferpromenade angelegt. Man kann sich nicht vorstellen, dass diese Stadt einstmals von den Roten Khmern entvölkert wurde. Die Menschen wurden alle zur Arbeit in endlosen Fußmärschen aufs Land geschickt, mehrere Millionen Kambodschaner kamen dabei um oder wurden ermordet.
Jetzt gibt es keine Spuren der schrecklichen Herrschaft Pol Pots mehr, zumindest nicht sofort sichtbare. Nach der Befreiung durch die Vietnamesen kam die Bevölkerung zurück in die Städte und besetzte eine Wohnung oder ein Haus, auch wenn es vorher nicht ihres war. War die eigene Wohnung oder das Haus besetzt, nahm man sich ein anderes. Viele der Vertriebenen kamen nicht mehr zurück und deshalb soll es diesbezüglich keine großen Probleme gegeben haben, erzählte man uns. Jeder Kambodschaner hat durch das Pol Pot Regime Angehörige verloren.
Es ist der dritte Tag des Neujahrsfestes und die Strassen sind noch immer voll von feiernden Menschen. Da an diesem Tag der Königspalast von König Sihanouk geschlossen ist, sitzen wir in einem Straßencafé und sehen den Leuten auf der Strasse zu. Es wird Wasser oder Puder auf die Verkehrsteilnehmer geschüttet als freundliche Geste. Die sind aber davon nicht unbedingt begeistert. Das Spritzen mit Wasserspritzen auf Motorradfahrer ist verboten worden weil sich dadurch etliche Verkehrsunfälle ereignet haben.
Nachdem ich die Uferpromenade entlang gegangen war suchte ich in einem kleinen Pavillon etwas Schatten. Vier Kinder von etwa 8 Jahren legten ein Bonbon auf den glatten Steinboden und schoben wie Eisstockschützen ihre Sandalen in die Richtung des Bonbons. Wer am nahesten herankam, erhielt das Bonbon. Ein alter Holzschreibtisch mit Vorhängeschlössern vor jeder Schublade stand auch unter dem Dach des Pavillons. Dort saß unauffällig ein Polizist mit einem Handfunkgerät. Neben dem Pavillon ein kleiner Tempel, vor dem sich eine Gruppe Musikanten unter einem provisorischen Zeltdach hingesetzt hatte. Wenn Gläubige mit Lotusblumen und kleinen Lebensmittelopfern zum Gebet in den Tempel gingen, legten sie den Musikanten einen kleinen Geldschein hin, worauf diese eine kurze Melodie spielten. Am niedrigen Zaun um den Tempel saßen mehrere Kinder und zwei beinamputierte Männer. Auch sie bekamen einen kleinen Geldschein von den Betenden. Zwei vielleicht 20-jährige Mädchen kommen in meine Nähe und eines davon spricht mich in gutem Englisch an. Woher ich denn käme und warum ich gerade nach Kambodscha gereist bin, wo meine Frau wäre und ob ich Kinder hätte. Sie will auch wissen, was ich von Beruf sei und als ich etwas mit Computern sagte, will sie wissen, welche Ausbildung sie machen müsse um einen Job mit Computern zu bekommen. Da bin ich natürlich mit meinem Latein am Ende. Zuletzt entschuldigt sie sich für die Fehler, die sie im Englischen gemacht hat und bedankt sich dafür, dass sie sich mit mir zwecks Sprachverbesserung unterhalten konnte. Wie ich erfuhr war das andere Mädchen ihre Schwester, sie stand ganz schüchtern daneben und bewunderte offensichtlich den Mut ihrer Schwester.
Am Abend beginnt dann unser Rückflug von Phnom Penh via Bangkok nach Frankfurt und Nürnberg. Wegen der Feiertage war keine Rückbestätigung unserer Flugtickets möglich, wir haben aber Glück und bekommen Plätze für die verschiedenen Flüge. Es wird eine lange Reise, insgesamt sind wir fast 20 Stunden mit den Wartezeiten unterwegs. Daheim angekommen frieren wir bei etwa 10 Grad C, vorher hatten wir meist bei über 35 Grad C geschwitzt.
Insgesamt war es eine sehr interessante Reise mit vielen neuen Eindrücken über Vietnam und Kambodscha. Ersteres ist nicht mehr das Entwicklungsland wie man es in Europa noch oft einschätzt. Dass Vietnamesen sehr zäh und beharrlich sein können, hat der lange Befreiungskrieg gegen die Franzosen und die Amerikaner bewiesen. Das kleine Volk hat die Supermacht Amerika besiegt, wenngleich die Spuren im entlaubten Dschungel noch Jahrzehnte zu sehen sein werden. Die fleißige und genügsame Bevölkerung wird es in den nächsten Jahrzehnten weiter vorwärts bringen und es würde mich nicht wundern, wenn Vietnam bald zu den ‚kleinen Tigern' der enorm aufstrebenden asiatischen Wirtschaft gehören wird.
Kambodscha wird noch deutlich länger für seine Entwicklung brauchen. Steuereinnahmen fehlen weitgehend und die Administration wird noch korrupt bleiben und den Aufschwung behindern. Nur durch intensive ausländische Hilfe kann die Entwicklung unterstützt und beschleunigt werden.
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