Persönliche Notizen zur bei China Radio International gewonnenen Reise anlässlich des 30. Jubiläums der Deutsch-Chinesischen Beziehungen
eine kleine Bildergalerie dieser Reise finden sich auf der Homepage von Thomas Schneider
© Thomas Schneider, Freiburg
Anmerkung:
Dem hervorragenden und ausführlichen Bericht von Volker möchte ich hier in Kürze noch meine ganz persönlichen "China-Splitter" beifügen.
Etwas nur annähernd Vergleichbares habe ich noch nie zuvor gewonnen geschweige denn erlebt. Eine Woche voller Erlebnisse liegt hinter mir und der Kopf ist voll von positiven Erinnerungen. Ich sitze im Flieger der uns nach Hause bringt, irgendwo unter uns ziehen jene Wolken dahin, welche wohl die Schäfer in der mongolischen Steppe weit über sich sehen. Trübes Wetter da unten - dabei scheint hier oben bei uns die Sonne und beschreibt meine Laune somit zutreffender als jedes Wort, nach dieser schönen, viel zu kurzen Woche. Ich achte gar nicht auf den Film der soeben im Bordkino begonnen hat. Andere weitaus angenehmere Bilder schieben sich vor mein geistiges Auge. Kein Traum - erlebte Realitäten.
Seit 1997 höre ich Kurzwelle und China Radio International war einer der ersten Sender die ich damals mit meinem Empfänger hören konnte. China war immer schon das Synonym Asiens für mich - einmal auf der Grossen Mauer stehen mein Traum. Den Film "der letzte Kaiser" hatte mit den Augen verschlungen. Plätze, deren Namen aus einer anderen Welt zu stammen schienen, habe ich nun selbst gesehen: die Halle der höchsten Harmonie. Der Himmelstempel. Das Marmorboot. Und den Yangtse-Fluss. Um nur einige zu nennen. Und nach dem Erlebten kann ich sagen, dass diese großen Namen nicht Wortschönmalerei sind ! Ich selbst bin in China gewesen, habe viel gesehen, viel erlebt, viele Leute getroffen; freundliche, zuvorkommende Leute, und mein positives Bild von Ost-Asien war absolut bestätigt worden.
China aber ist trotzdem ganz anders als erwartet. Durch die Sendungen von CRI natürlich aus erster Hand über Wirtschaft und Gesellschaft des Reichs der Mitte informiert, hatte ich schon einiges an Wissen - doch China einmal live zu sehen - das war wieder ganz anders !
Ja, es ist wahr: China ist ein kommunistisches Land - so ? Wirklich ? Man glaubt es kaum, steht man auf der Haupteinkaufsstrasse in Beijing, sieht die vielen Läden, schaut sich auf den Märkten um wo gefeilscht und gehandelt wird "was das Zeug hält". Als westlicher Reisender hat man eine bestimmte Schublade die geprägt ist durch Sowjetunion und "DDR", wenn man von Kommunismus spricht. Mangel und Verteilung des Mangels sind nicht nur Klischees, sondern selbst erfahrene Eigenschaften eines vergangenen, gescheiterten Kommunismus jener nicht mehr existenten Staaten. Damals: angstvolle Stille in den Restaurants, eisige Ruhe - Strassen und Häuser grau in grau. So war das Bild das einem der "real existierende Sozialismus" eindrücklich vermittelte.
Wie anders jedoch das Bild in Beijing ! Handys trillern an jeder Ecke, Menschen schwatzen und scherzen, Kinder lachen. Keine Angst bei unserem chinesischen Reisebegleiter, uns "bestimmte Ecken" nicht zu zeigen - bereitwillig führt man uns z.B. in die Altstadt von Zhenyang, wo man noch urige alte Strassen findet und wo einfache Leute wie Du und ich ohne übermäßigen Luxus zwar aber durchaus glücklich leben - und die sehr offen und ohne jede Angst vor einem Kontakt - auf uns Langnasen zukommen. Die Wäsche hängt quer über der Gasse. Düfte aus der Küche. Eine Frau ruft und der Hund kläfft. Männer spielen chinesisches Schach, einige Meter weiter kommt ein Motorroller durch die Gassen gebraust. Hinter der Garküche können wir durch die geöffnete Türe fast in ein Wohnzimmer treten, dort sehen wir einige ältere Frauen Mahhjong spielen, man fühlt sich nicht durch uns gestört. Kinder sprechen uns englisch an, wir werden bestaunt was wohl ein Zeichen ist dass Ausländer hierher wohl weniger den Weg finden - was schade wäre - und was man von touristischer Seite in China auch durchaus gerne ändern will.
Ein Arzt den wir treffen erzählt: früher war er Chirurg, und heute, im Ruhestand, hat er eine Praxis in TCM, der traditionellen chinesischen Medizin. Er zeigt sein Behandlungsbuch aus der Zeit, wo die Menschen teilweise noch Blähbäuche hatten. Fotos dokumentieren deren Genesung - viele hat er geheilt.
Inmitten dieser lebendigen Altstadt ist ein historischer Platz: Marco Polo ist da, wo jetzt unter einem Vordach einige Fahrräder stehen und die Wäsche trocknet, einst vom Jangtse-Fluss kommend hier an Land gegangen.
Wenige hundert Meter entfernt von dieser herrlichen Altstadt mit ihrem Flair sehen wir wieder Luigi Versace und Gucci-Geschäfte, Supermärkte voller Waren und kunterbuntes Einkaufstreiben. Hübsche junge Chinesinnen mit kleinen Designertäschchen schlendern daran vorbei. Der einzelne staatliche Laden mit seinem knappen Angebot, eingeklemmt zwischen privaten bunten Schaufenstern kommt mir vor wie aus einer anderen Zeit – fast museal.
VW und Audi made in China prägen die Städte. Wer ernsthaft glaubt, auch heute noch sei China ein Land der Fahrradfahrer der liegt falsch. Dieses Klischee ist zwar romantisch, doch überholt. Trotzdem wären Katalysatoren für die Autos ratsam, denn es "duftet" an fast jeder Kreuzung. Doch da sind die Parks, diese grünen Lungen, wo man sch erholt. Der Autoverkehr explodiert und wird in etwa 2 Jahren westliches Niveau erreichen, konnte ich in einer Zeitschrift im Flieger lesen. Nun, dies ist sicher eine zweifelhafte aber wohl unumgängliche "Errungenschaft" im Zuge steigenden Wohlstandes der breiten Masse. Dass man sich im Neuen China aber auch darüber Gedanken macht sieht man daran, dass überlegt wird, wie auch immer den Großstadtverkehr einzudämmen.
Immer wieder bewundere ich den Mut der Radfahrer - ich würde mich nicht einmal mit einem Auto in dieses Verkehrsgewühl - geschweige denn mit einem unbeleuchteten Fahrrad in der Dämmerung - wagen. Man fährt sehr sportlich in China - und manch abenteuerliches Gefährt ist unterwegs. Das Kleinkind im Bambuskörbchen auf dem Gepäckträger ist beinahe alltäglich. Interessant anzusehen war hingegen auch die elegante Kurvenfahrt eines Radfahrers mit etwa 5m langer Leiter als "Handgepäck" im wahren Sinne des Wortes... Aber auch als Fußgänger benötigt man einiges an Steh- und Gehvermögen, um mutigen Schrittes in den Verkehr - und auf die Strasse zu deren Überquerung - zu treten. Uns "Westler" wundert es, dass man nicht ständig Unfälle sieht. Aber die Chinesen sind sehr diszipliniert und gleichzeitig emotional. Eine interessante Mischung die das hier im Westen doch so gern gepflegten Vorurteil des "zurückhaltenden Asiaten" positiv Lügen straft.
Die Sprache ist ein Buch mit mindestens sieben Siegeln. Und da gibt es eine Schrift die so schön anzuschauen ist wie ein Bild und doch mir völlig unverständlich bleibt. Und trotzdem hat es niemals Bestrebungen gegeben, diese aufzugeben. Es ist ein Erlebnis, einmal zu sehen, wie genial eine SMS auf einem chinesischen Handy - kreiert wird. Kreieren - denn diesen Vorgang als einfaches Schreiben zu bezeichnen ist zu profan. Die moderne Technik macht es möglich, in jener Zeichensprache einfacher als je zuvor zu kommunizieren. Historie betrachtet man in China allgemein wohl nicht als Ballast. Man geht und steht - man lebt mit ihr ! Eine über 5000 Jahre alte Kultur, die - Gott, Buddha oder wem auch immer sei dank - auch jene Kulturrevolution im letzten Jahrhundert überstanden hat. Die steinalten Zypressen in den Parks stehen noch. Damals als die Bilderstürmer in der Sturm- und Drang-Zeit des jungen Kommunismus kamen, wurden einige ihrer Äste abgehackt – warum auch immer…heute erhalten die ehrwürdigsten der ältesten Bäume sogar zum Schutz metallene Stützen. Auffälliger ließe sich der innere Wandel in den Einstellungen wohl kaum vor Augen führen.
China ist - wirtschaftlich - frei. Den Menschen geht es in ihrer Mehrheit demzufolge gut denn es gibt offensichtlich keinen materiellen Mangel, nicht nur dass wohl niemand hungert - insbesondere zahlreiche Bauern haben es zu etwas gebracht – sondern es geht den Menschen gut durch die Pflege des privaten Eigentums und dem freien Spiel wirtschaftlicher Kräfte. Der Kommunismus in China hat erkannt, dass Geld zu verdienen keine Schande ist. Das unterscheidet den chinesischen Weg von anderen Bruderstaaten. Und - so sagte man uns - man hat in dieser Gesellschaft auch Visionen ! Wohl weniger die der roten Fahne die über dem Erdenrund weht - nein es ist die Westerschließung des eigenen Landes. Damit gibt man zu, einige Regionen bislang noch nicht genug gefördert und entwickelt zu haben. Das ist auch keine Schande ! Ein so großes Land das sein Schicksal nach zwei sehr bewegten vergangenen Jahrhunderten selbst in die Hand nimmt - das verdient Respekt.
Im Gegensatz zu den alten Systemen stalinistischer Prägung im ehemaligen "Ostblock" stellt sich China heute mutig und offen den anderen Staaten - und wir im Westen haben es wohl eher mit einer stolzen selbstbewussten chinesischen Nation denn einer "gelben Gefahr" zu tun. Man lässt die Bürger - sofern es deren Finanzen zulassen – sogar reisen. Tausende Chinesen besuchten z.B. in 2001 Südkorea, das Nachbarland im Westen. Viele Studenten kommen wiederum zu uns und erleben unsere Art zu leben. Man schottet sich nicht ab. Natürlich ist das tägliche Leben weitestgehend entpolitisiert, denn die eine große Partei regelt alles und macht die Politik. Aber darin mischen wir als Besucher uns nicht ein. Wir sind nicht anmaßend. Ein jeder kehre vor seiner Türe hat Goethe mal gesagt. Wir halten uns daran. Wir sahen ein uns dargebotenes realistisches Bild des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens im China heute. Wir sehen eine uralte Kultur und offene Menschen. Wir stehen bei der Verleihung der Ehrenurkunden zum Preisgewinn im Mittelpunkt – und genießen es. Wir erleben Freundschaft und gegenseitigen Respekt. Deutlich wird dies alles auch beim Empfang des deutschen Botschafters in Beijing am 11.Oktober: eine lockere ungezwungene Feier wird zelebriert, so wie sie auch dem Verhältnis der beiden Staaten wohl entspricht. 30 Jahre nun sind Deutschland und China diplomatisch in Beziehung. Ein weiser Schritt - und zu damaliger Zeit in Deutschland ein mutiger Schritt eines Kanzlers, der "mehr Demokratie wagte" - und dabei so viel gewann trotz heftiger Kritik im eigenen Land.
Wir konnten in jener einen kurzen Woche viele chinesische Impressionen erhalten, die nur Teile eines Ganzen sind - aber diese Teile machen Lust, noch mehr zu erfahren über ein Land, das so fern ist und in dieser Woche uns so viel näher kam.
Einen großen Dank an alle die uns das ermöglichten !
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