Die Koreaner auf der Suche nach der Urform ihres Lebens

 

Die Ehrfurcht gegenüber den Eltern

 

Die Beziehung zwischen mir und meinen Eltern ist untrennbar. Es ist eine Ideologie der nichts widersprechen kann. Egal wie schwer und hart man es hat, wenn man vor seinen Eltern steht vergeht alle Müdigkeit. Die Mutter, die mit ihren groben Händen unsere Tränen abtrocknete und der Vater der uns wortlos aber aus tiefsten Herzen liebte, der Schoß der Großeltern der so warm wie ein dröhnender Ofen war. Wir sind mit der Liebe unserer Eltern groß geworden und sollten uns dafür revanchieren.

Die Erfurcht gegenüber den Eltern, diese Einstellung auf koreanisch Chju genannt, stand in der traditionellen koreanischen Gesellschaft im Mittelpunkt des Familienlebens. Die Koreaner verehrten ihre Eltern, sie servierten ihren Eltern die drei Mahlzeiten des Tages, sagten immer bescheid wenn sie aus dem Haus gingen und begrüßten sie wieder, wenn sie zurückkamen. Die Pietät, die man den Eltern entgegen brachte, war in Korea die Grundlage des Lebens. Die Beziehung zu den Eltern ging allen anderen Beziehungen vor.

Dr. Son Han-Chin, Soziologe und Leiter der Forschungs- und Regelungsabteilung des koreanischen Arbeitsinstituts definiert das Wort Chjo folgendermaßen:

Chjo ist der Respekt, der die Kinder den Eltern entgegen bringen. Eine solche Verhaltensweise gab und gibt es im Westen sowie in Asien. Aber in Asien, insbesondere in Korea bildet Chjo die Basis der moralischen Normen. Es war die Lehre, die im privaten Leben sowie im Staatsbetrieb an erster Stelle stand. Man kümmerte sich mit größter Hingabe um seine Eltern. Wenn sie starben, dann verehrte man sie und führte Ahnengedenkfeiern durch. Nachwuchs zu zeugen, damit die Ahnengedenkfeier nicht unterbrochen wurden gehörte auch zu Chjo.

 In einer traditionellen Großfamilie hatten die Eltern eine unantastbare Stellung, so dass sie sogar mit dem Himmel verglichen wurden. Die Worte der Eltern waren unabhängig davon ob sie recht hatten die Grundregel des Lebens. Ein Gesetz, das unbedingt befolgt werden musste. Selbst wenn die Forderungen der Kinder berechtigt waren, sie durften sich nicht gegen den Willen der Eltern auflehnen. Selbst wenn die Eltern ihre Pflicht nicht erfüllt hatten, mussten sie hoch geachtet werden. Sich den Eltern zu widersetzen, das war nicht nur ein moralischer Verstoß, sondern eine Tat, die gesetzlich bestraft werden konnte.

 

Auszug aus einer Schrift des Gelehrten und Schriftstellers Che Che-Hwon, die auf dem Naman-bi entdeckt wurde:

Zuhause sollst Du Deine Eltern respektieren und draußen sollst Du Deinem Land Loyalität erweisen. Den Eltern ungewollt Respekt zu zollen ist mit Respektlosigkeit gleichzusetzen. Die Liebe und Ehrfurcht gegenüber den Eltern so natürlich wie fließendes Wasser muss aus tiefsten Herzen hervorgehen.

 

Chjo war auch die geistige Grundlage der sogenannten Hwarran-Kämpfer der Shilla - Dynastie. Im Bewusstsein der Einwohner von Shilla ruhte die Ansicht, dass man dem Staat gegenüber keine Loyalität erweisen kann, wenn man seine Eltern nicht liebt und achtet. Später in der Koryo- und Choson- Dynastie wurde Chjo der moralische Grundsatz der Gesellschaft. In der Choson - Dynastie bestimmte die konfuzianische Kultur das Leben der Koreaner. Im Jahre 1413, also in der Regierungszeit von König Sejong wurde eine Ethik namens Shamgan hinsildo beschrieben, in der die 3 wichtigsten Tugenden eines Menschen beschrieben werden. Auch hier wird die Ehrfurcht gegenüber den Eltern als erste und wichtigste Tugend dargestellt. Danach folgten Loyalität gegenüber dem Staat und Treue einer Frau gegenüber ihrem Ehemann. Man kann bestätigen, dass Chjo die Grundlage der politischen und gesellschaftlichen Ordnung war. Auch im damaligen Grundgesetzbuch Tonguk taechon und im Gesetzestext Chanjak, in dem die Vorschriften für die lokale Gemeinde erklärt waren, wurde die Wichtigkeit von Chjo hervorgehoben. In Gesetzbücher der Choson - Dynastie wurde es explizit vorgeschrieben, dass jeder der seine Eltern missachtet, bestraft werden kann. Im Chanjak z.B. durfte man in einem solchen Fall aus dem Brunnen des Dorfes kein Wasser schöpfen. So wurden die Sitten und Moral der Gesellschaft aufrecht erhalten. Der pragmatische Gelehrte Yi Ik, der am Ende des 17. Jahrhunderts lebte benutzte den Ausdruck "Ohne Chjo ist nichts ausreichend", d.h. dass Chjo die die Grundlage für alle andere Werte ist. Yi Ik war der Ansicht, dass man sein Land nicht lieben kann, wenn man seine Eltern nicht liebt. Auch in der sogenannten Tonhak-Lehre, die zur Zeit der Öffnung Koreas durch die westlichen Kräfte am Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurde, wurde die Bedeutung von Chjo hervorgehoben.

Ehrfurcht gegenüber den Eltern, die mit größter Hingabe praktiziert wird, bewegt alle Menschen und sogar den Himmel. Wenn es die Menschen spüren können, dann merkt es auch der Himmel, das ist Chjo.

In einem krisengeschüttelten Zeitalter wollte man den Staatsbetrieb normalisieren, in dem man Chjo in den Mittelpunkt stellte. Die bedingungslose Hingabe für die Eltern erzeugte eine Kraft, die den Zusammenhalt des Volkes stärkte. 

Kim Che-Sok, Professor für Zeitungs- und Pressewesen der Kanghwa - Universität sagt, dass in Asien die Beziehung zwischen den Eltern und Kindern anders als im Westen sind. 

Im Westen legt man großen Wert auf Verträge. In Asien, besonders in Korea dagegen hält man zwischenmenschliche Beziehungen für sehr wichtig. Die Beziehung zwischen den Familienmitgliedern und den Verwandtenkreis ist von großer Bedeutung. Man glaubt, dass die Beziehung zwischen den Eltern und den Kindern schon vor der Geburt vorbestimmt ist. So fühlen sich die Kinder ihr Leben lang fest zu ihren Eltern gebunden. Im Westen befolgen die Kinder die Regeln der Eltern, aber wenn sie erwachsen sind, dann verändert sich die Beziehung in einer Art vertraglichen Vereinbarung. Das ist in Korea nicht der Fall. Selbst wenn die Kinder weit entfernt leben, fühlen sie sich fest zu ihren Eltern gebunden. Sie leben mit dem Gefühl, dass sie mit ihren Eltern zusammen sind.

 

Auch heute noch werden Ahnengedenkfeiern durchgeführt. Das sind Zeremonien, die die Einstellung der Koreaner zu ihren Eltern zum Vorschein bringen. Chjo bezieht sich nicht nur auf die Eltern, sondern auch auf die verstorbenen Vorfahren.

Bei einer Ahnengedenkfeier ruft man zuerst die Vorfahren herbei. Es wird berichtet, dass man die Gerichte, die die Vorfahren gern hatten, serviert hat. Am Todestag der Eltern versammeln sich die Kinder, während sie sich unterhalten, werden die alten Erinnerungen an die Eltern geweckt. Es wird erneut bestätigt, dass man zu einer Familie gehört. Die Durchführung der Ahnengedenkfeier übernimmt meistens der älteste Enkel der Familie.

Der älteste Enkel der Familie Kwon erzählt:

Über den ältesten Enkel der Hauptfamilie wird immer viel geredet. Allerdings nur, wenn dieser einen kleinen Fehler gemacht hat. Manche sagen, es ist gut, der älteste Enkel zu sein, aber in Wirklichkeit ist man einsam. Man kann nicht in eine andere Stadt umziehen, muss die Gäste bewirten und die Ahnengedenkfeiern durchführen. Ich habe noch nie an einem anderen Ort gelebt, denn es ist meine Pflicht, die Gäste zu bewirten und die Ahnengedenkfeiern durchzuführen.

Um seine Pflicht als ältester Enkel seiner Familie zu erfüllen, musste Herr Kwon vieles aufgeben. In gewissem Sinne ist Chjo eine schwere Last. Aber Chjo stärkte den Zusammenhalt in der Familie und bewahrte Sitte und Anstand in der Gesellschaft. Die Kinder sollten ihre Eltern nicht nur im innern respektieren, sondern ihre Ehrfurcht mit konkreten Handlungen zum Ausdruck bringen.

Die Koreaner neigen dazu, in ihre Heimat zurückzukehren. Das ist eine andere Ausdrucksweise von Chjo. An traditionellen Festtagen suchen die Kinder in den Städten ihre Eltern auf dem Land auf, so dass es wirkt, als würde sich das ganze Volk bewegen. Von Seoul nach Pusan dauert es mit dem Auto normalerweise 5 Stunden, aber an Festtagen braucht man für die selbe Strecke manchmal mehr als das dreifache. Trotzdem fahren die Koreaner immer zu ihren Eltern. Das ist eben die unerklärliche Anhänglichkeit zwischen den Eltern und den Kindern. Es werden allerdings nicht nur die eigenen Eltern besucht. Schließlich werden auch die anderen älteren Leute im Dorf besucht und begrüßt. Diese Gewohnheit ist nicht in den letzten Jahren entstanden, schon seit langer Zeit wurden die älteren Leute hochgeachtet.

Wenn es einen Anlass zum Feiern gab, wurde ein Schwein geschlachtet. Aber nur der magere Teil des Fleisches wurde gegessen. Der Rest wurde an die älteren Leute im Dorf verteilt. Je nach Dorf war es etwas unterschiedlich, aber normalerweise wurde das Fleisch demjenigen geschenkt, in denen es eine Person gab, die über 60 oder 70 Jahre alt war. Familien, in der die Kinder zusammen mit über 60 Jahre alten Eltern lebten, brauchten sich keine Sorgen um das Essen zu machen. Vor dem Sonnenaufgang brauchten sie nur den Hof einer wohlhabenden Familie zu fegen. Das war ein Zeichen dafür, dass man nichts mehr zum Essen für die alten Eltern hatte. Der Herr der wohlhabenden Familie ließ dann durch seinen Knecht ermitteln, wer den Hof gefegt hatte. Danach schreibt er wie alt die Eltern des Wohltäters sind und schickt ihm etwas zu essen. Je nach dem für 10 bis 15 Tage. Das waren Spenden, die man nicht zurückzahlen musste.

In Korea gab es die schöne Gewohnheit sich nicht nur um die eigenen Eltern, sondern um alle älteren Leute in der Nachbarschaft zu kümmern. Das ist die Besonderheit von Chjo.

 

Soziologieprofessor Choi Son-Nam der Chungnam-Universität erzählt:

Chjo beschränkt sich ursprünglich nicht nur auf die eigene Familie. Die unter dem Himmel selbstverständliche Tugend praktizieren, so definierten die alten Koreaner den Begriff Chjo. Es würde sozusagen keinen Sinn machen, für den Weltfrieden zu kämpfen, jedoch nicht für seine Eltern zu sorgen. Den Kindern wurde gelehrt, sich zuerst um die eigenen Eltern, dann um die Nachbarn und danach um das Land zu kümmern. 

Für das höchste Niveau von Chjo gab es den Ausdruck "pingchasodo"  das bedeutet soviel wie "im heißen Sommer aus kostbaren Eis eine Puppe anfertigen und sie in den Schoß der alten Eltern legen". Früher half der Staat den Bürgern diese Art von Chjo zu praktizieren. Im heißen Hochsommer wurden die Gefrieranlagen "Chogingdo" und Tungingdo geöffnet, es wurde eine Veranstaltung durchgeführt, bei der der König an Leute, die eine große Leistung aufgestellt hatten, oder an Beamte, die über 70 Jahre alte Eltern hatten, Eisblöcke verteilte. Diejenigen, die Eisblöcke erhalten hatten, meißelten daraus eine Figur und zogen ihr bunte Puppenkleider an und schenkten sie ihren Eltern. Bemerkenswert ist, dass allen Leuten über 70 eine solche Eispuppe geschenkt wurde. Das war eine schöne Gewohnheit der Koreaner.

Die letzten 100 Jahre waren für die Koreaner eine besonders turbulente Zeit. Noch nie wurde Korea in einer so kurzen Zeit mit so vielen Schwierigkeiten, wie der Besetzung durch Japan, den Koreakrieg oder der Wirtschaftskrise konfrontiert. Aber die Koreaner konnten ihre Identität bewahren, das ist unter anderem dem festen Zusammenhalt in der Familie zu verdanken, der sich durch Chjo entwickelt hat. Chjo war die treibende Kraft für die Belebung der Familie und der Gesellschaft, sowie eine Brücke, die die traditionelle Kultur überliefert hat. Nach wie vor denken viele Koreaner dass es selbstverständlich ist, den Eltern auch nach dem Tod durch Ahnengedenkfeiern Respekt zu erweisen.

Chin Hen, Journalistin des Chunghan-Zeitungsverlags erzählt:

Es gab einmal eine Umfrage zu diesem Thema. Auf die Frage ob Ahnengedenkfeiern durchgeführt werden müssen, antworteten knapp 68% mit "auf alle Fälle". 15% meinten, Ahnengedenkfeiern müssten bestehen, jedoch seltener durchgeführt werden. Etwa 18% waren der Meinung, dass Ahnengedenkfeiern zu größtenteils vereinfacht werden müssten und etwa 4% sagten, dass sie nicht notwendig seien. Etwa 75% der Koreaner denken also, dass Ahnengedenkfeiern auch in Zukunft durchgeführt werden müssen. Das zeigt, dass sie nach wie vor großen Wert auf die traditionellen Gewohnheiten legen. Auf die Frage Ob erwachsene Kinder mit ihren Eltern zusammen leben müssen, meinte knapp die Hälfte, dass das die Pflicht des ältesten Sohnes sei. Es hat sich herausgestellt, dass die traditionellen Werte tief im Bewusstsein der Koreaner wurzeln.   

Eine andere Umfrage, die 1998 von der Chongsan - Universität durchgeführt wurde, zeigt ebenfalls, dass Chjo im Leben der Koreaner nach wie vor eine wichtige Rolle spielt. Danach stellte man Fragen, ob die konfuzianischen Grundwerte, die unter anderem in der Ethik von Sam Kan-Urion vorkommen. Die Frage, ob es auch heutzutage  noch notwendig ist, die Lehren von Konfuzius oder  Meng Tse zu erforschen, beantworteten 70% mit ja. 90% begründeten ihre Meinung mit "Weil man seine Eltern respektieren und achten sollte". Auf die Frage "Welche der 4 konfuzianischen Zeremonien:

Mündigkeitsfeier, Hochzeit, Begräbnisfeier und Ahnengedenkfeier

am wichtigsten ist", antworteten 60,8% der befragten "Ahnengedenkfeier" und 50,2% mit "Hochzeit".

Auch für die Koreaner im 21. Jahrhundert sind Ehrfurcht, Respekt und Liebe gegenüber den Eltern mit die wichtigsten Werte.

 

Aber es scheint unvermeidlich zu sein, dass sich die Vorstellung von Chjo im Laufe der Zeit verändert. Mit dem Aufbau der Industrie in den 60er Jahren ging die Tendenz dahin, nicht zusammen mit den Eltern zu leben. Die Koreaner begannen mehr Liebe für ihre Kinder als für ihre Eltern zu empfinden.

Alte Leute, die ohne ihre Kinder alleine leben, das ist kein fremdes Phänomen mehr. Diejenigen, die etwa über 60 Jahre alt sind, haben der konfuzianischen Lehre zufolge, zusammen mit ihren Eltern gelebt und sich um deren Wohlergehen gekümmert. Auf den Trümmern der Nachkriegszeit haben sie die koreanische Wirtschaft aufgebaut. Sie haben sich dem traditionellen Familiensystem gefügt und angepasst. Aber nun in ihrem Lebensabend müssen sie ein selbstständiges Leben führen, was keine Generation zuvor erlebt hat. Viele ältere Leute denken, dass sie nicht erwarten können, von ihren Kindern betreut zu werden, so wie sie es früher gemacht haben. Eher wollen sie ihren Kindern so viel Freiheit wie möglich geben, damit diese in der Konkurrenz der Gesellschaft nicht zurück bleiben. So hat sich die Beziehung zwischen den koreanischen Eltern und Kindern verändert. Chjo ist jetzt nicht mehr nur eine Pflicht der Kinder, sondern ein gegenseitiger Austausch. Hinsichtlich der Beziehung zwischen den Eltern und  Kinder sind nun beide Seiten gleichgestellt.

Der Herausgeber der Zeitschrift "Vater und Familie" erzählt:

Auch in der Bibel wird betont, dass man seine Eltern lieben und respektieren soll. Aber ich bin der Meinung, dass man die alte Anschauung von Chjo teilweise ändern muss. Die Eltern sollten nicht auf der Einstellung beharren, dass Chjo etwas ist, das man von den Kindern nur erhält. Man sollte zur Ansicht gelangen, dass Chjo die Liebe ist, die die Eltern ihren Kindern erweisen. Die Kinder sollten sich bewusst werden, dass sie sich für die Liebe ihrer Eltern revanchieren müssen. Die ältere Generation hat offensichtlich einen bestimmten Maßstab, nachdem sie beurteilt, wie sich die jüngeren Leute gegenüber den älteren verhalten sollten. In der Welt der Tiere gibt es nur Elternliebe. Die Mutter sorgt für ihre Jungen aber nicht umgekehrt. Nur Menschen zollen den Eltern Respekt und Liebe. Die Eltern sollten weniger von ihren Kindern erwarten, und die Kinder sollten ihre Eltern mehr achten. Das ist Chjo denke ich.

In Korea ist Chjo nicht mehr die einseitige Pflicht der Kinder. Sie ist eine neue Familienkultur, die die Kinder und Eltern zusammen entwickeln müssen.

Der Nervenarzt Cho Chong-Jon erzählt:

Chjo unterliegt im gewissen Sinne eine veraltete Ideologie in der traditionellen patriarchalischen Gesellschaft entstanden ist und eine ungleiche Beziehung voraussetzt. Aber es war eine Tugend, durch die die Familie aufrecht erhalten wurde. Diese Funktion selbst ist auch in der modernen Gesellschaft nicht negativ. Aber da die Wichtigkeit von Chjo übermäßig betont wurde, gab es auch die Meinung, dass es nicht zu den gegenwärtigen Verhältnissen passt. Es ist z.B. nicht ganz verständlich, dass eine Frau ihre Schwiegereltern respektieren und lieben muss, wenn die Beziehung eigentlich nicht gut ist. Ich bin der Meinung, dass man sich eher frei ausdrücken und seine Gefühle austauschen sollte. 

Aber im Gemüt des Koreaners nimmt Chjo nach wie vor einen großen Platz ein. Wenn einem das Leben überdrüssig wird, dann denkt ein Koreaner erst einmal an seine Mutter. Nicht selten wird diese Gesinnung der Koreaner auch kommerziell ausgenutzt. Je härter das Leben wird, desto mehr sehnt man sich nach dem warmen Schoß der Mutter.

Als im Jahre 1998 der Musikmarkt von leichten Liebeslieder und Tanzmusik überschwemmt wurde, erregte das Lied "An meine Mutter" große Aufmerksamkeit. Es handelt von einer alleinlebender Mutter, die sich um ihr Kind zu ernähren über arbeitet und dann stirbt. Dieses Lied bewegte die Herzen der Jugendlichen so dass in nur zwei Tagen 30.000 Platten verkauft wurden.

Das Motiv Mutter spricht unabhängig vom Alter alle Koreaner an. Zur ähnlichen Zeit wurde anlässlich des 30. Jubiläums der Theatergruppe Sangjolim das Theaterstück "Meine Mutter hat mit 50 das Meer entdeckt" auf die Bühne gebracht. Der Großteil des Publikums waren Frauen. Dieses Theaterstück stellte eine durchschnittliche koreanische Mutter dar, also eine rücksichtsvolle Frau, die der Familie treu ist und für die die Kinder das wichtigste in ihrem Leben sind. Diese Figur brachte bei jeder Aufführung alle Zuschauer zum Weinen.

In Korea gibt es besonders viele Lieder, die von Sehnsucht nach den Eltern handeln, das zeigt dass Chjo eine Moral die nach wie vor im tiefen Bewusstsein der Koreaner wurzelt und auch in der modernen Gesellschaft befolgt werden sollte.

Eine Methode in Korea einen Mann oder eine Frau kennen zu lernen ist Meeting. Bei einem Meeting das von einer bestimmten Person organisiert wird, treffen sich jeweils zwei oder mehr Frauen und Männer. Man unterhält sich und wenn man an einem Partner interessiert ist, dann tauscht man die Telefonnummern aus. Ein Meeting war bisher immer etwas für jüngere Leute. Aber auch unter den älteren Leuten ist zur Zeit diese Art des Treffens beliebt. Die koreanischen Kinder organisieren für ihre Eltern ein solches Treffen damit sie sich vergnügen können. Die Art und Weise, seine Eltern zu erfreuen, hat sich eben verändert.

Es war Herr Yi Jung-Shin, der Chef der Heiratsvermittlung Chono, der als erstes auf die Idee gekommen war, ein Treffen zwischen alleinlebenden Leuten über 60 zu organisieren. Unter dem Motto "Liebe macht jung und gibt Hoffnung" wollte er den älteren Leuten neue Lebenskräfte einflössen.

Wir leben im 21. Jahrhundert, dem sogenannten digitalen Internetzeitalter. Per Mouseklick können wir alle gewünschten Informationen abrufen. Man ist nicht mehr ausschließlich auf die Eltern angewiesen um das Leben zu lernen. Trotzdem spricht man  nach wie vor über Liebe, Ehrfurcht und Respekt gegenüber den Eltern. Denn dies ist ein Teil Gemüts der Koreaner.

Wird der Geist von Chjo aufrecht erhalten bleiben, so wie es in den letzten Jahrhunderten der Fall war?

Herr Yi Jo-Ryeon, Vorsitzender des Komitees für die Vorbereitung des neuen Millenniums sagt, dass auf alle Fälle die Liebe zwischen den Familienmitgliedern der Mittelpunkt des Familienlebens bleiben wird.

Aus der Familie gibt es keine Entlassung. Man wird nicht aus der Familie vertrieben, wenn z.B. der Sohn die Universitätsprüfung nicht bestanden hat, oder weil die Frau dick geworden ist. Denn eine Familie ist kein Vertrag. In der Familie kann man sich ausruhen, je größer die Spannung in der Gesellschaft wird, desto wichtiger wird die Rolle der Familie werden, die die gesichertste Grundlage der menschlichen Existenz ist. Das ist ein Plus für die Entwicklung der Kultur.

 

Man sagt, Zusammenhalt in der Familie ist der wichtigste Faktor für die Erhaltung der Umgangsformen zu den Eltern. Chjo ist eine für die Koreaner charakteristische Kultur. Das chinesische Zeichen das für Chjo steht, sieht aus wie ein Sohn, der seine alte Mutter auf dem Rücken trägt. Die Koreaner haben egal wie hart das Leben war zuerst für ihre Eltern gesorgt, denn so konnten sie ihre Identität bestätigen.

 

( aus der zehnteiligen Sondersendung von Radio Korea International mit dem Titel: "Die Koreaner auf der Suche nach der Urform ihres Lebens" 4. Teil )


 

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