Chon ist eines der Wörter, die in koreanischen Schlagern am häufigsten vorkommen. Dieses Wort das als Anhänglichkeit, Sympathie oder Mitleid übersetzt werden könnte, stellt das charakteristische Gemüt der Koreaner dar. Auch Ausländer empfinden ähnliche Gefühle von Anhänglichkeit die jedoch nicht so zäh und festhaltend wie die der Koreaner sind. Eigentlich gibt es im Deutschen kein passendes Wort für den Begriff Chon. Sympathie ist z.B. nur eine von vielen Eigenschaften die der Begriff Chon repräsentiert.
Das Volkslied Arirang stellt die Anhänglichkeit der Koreaner gut dar.
"Wenn mich meine Liebe verlässt, dann muss ich sie gehen lassen, aber zugleich hoffe ich dass sie irgendwann zurückkommt". Arirang drückt die reinen und unverfälschten Gefühle aus, die ein Koreaner in einem solchen Fall empfinden würde. Das chinesische Zeichen für Chon besteht aus zwei Zeichen, die jeweils Gemüt und grün bedeuten. Die Farbe grün symbolisiert Klarheit und Sauberkeit. Chon ist also die reine klare und unvermischte Empfindung von Anhänglichkeit, die nicht von den eigenen Interessen gesteuert wird.
Die schönste Anhänglichkeit ist zweifelsohne die Mutterliebe. Der angenehme Geruch von Reis der am Rock der Mutter wahrzunehmen ist, ist die größte Kraft fürs Leben. Bei einer Umfrage bei der 1216 Internetbenutzer befragt wurden, kam heraus, dass die meisten Koreaner im Zusammenhang mit dem Wort Chon erst einmal an ihre Mütter denken.
Kim Jung-Sim, stellvertretender Leiter des Kim & To - Umfrageinstituts erzählt:
Bei der Umfrage konnte man frei beantworten, was man mit dem Begriff Chon assoziiert. 283 der Befragten gaben die Antwort "Die Mutter". Es wurden konkrete Ausdrücke wie die Geduld der Mutter, der Schoß der Mutter oder die Fingerknöchel der Mutter verwendet. Manche definierten Chon als unbedingte Liebe, anderen viel der Werbespots ein, in dem es um Chon geht. Wörter wie Familie verknüpften viele mit dem Wort Chon. Manche beschrieben es genauer als Liebe und Verständnis zwischen den Familienmitglieder. |
In Korea kauen die Mütter dem Kind die Nahrung vor. Das ist die Art und Weise, wie sie die Liebe zu ihrem Kind ausdrücken.
Choi San-Gin, Psychologieprofessor der Chunam - Universität erklärt den Begriff Chon genauer:
Chon ist die Verhaltensweise einem anderen Verständnis entgegen zu bringen. Darüber hinaus für einen anderen zu sorgen und an ihn zu denken, so wie man für sich selbst sorgt und an sich denkt. Chon entfindet man, wenn man mit einer anderen Person innerlich vereint wird. Wenn zwischen mir und einem anderen keine psychische Distanz besteht und wenn man einem Gemütszustand der innerlichen Homogenität empfindet, dann ist es Chon. Wenn ich jemanden nicht als einen Fremden , also nicht als eine dritte Person, sondern so wie ich mich selbst betrachte, wenn ich mich vor dieser Person hemmungslos benehmen kann, dann befinde ich mich in einem Gemütszustand den man als Chon bezeichnen kann. |
Für die Koreaner ist die Liebe der Mutter so wertvoll wie die ganze Welt. Egal wo man lebt, in Freude so wie in Traurigkeit denkt man als erstes an die Mutter. Für die Koreaner ist die Mutter eine Quelle aus der immer große Liebe entspringt.
Chon ist es, was die Koreaner innerlich fest verbindet. Der Ursprung von Chon ist die Mutter. Für die Koreaner ist der Ort, an dem sie den Hauch ihrer Mütter spüren können, ihre Heimat. Die Heimat könnte man mit einem Behälter vergleichen, der die Gemüter der Koreaner in sich trägt. Wenn man ein mit Bohnen gefülltes Gefäß ausschüttet, dann zerstreuen sich die Bohnen auf dem Boden. In dem Gefäß haben die Bohnen eine bestimmte Form, aber außerhalb des Gefäßes wird die Beziehung zwischen den einzelnen Bohnen getrennt. Die Koreaner sind keine einzelnen Bohnen, sondern zusammen gegorene Bohnenpaste. Das Gemüt der Koreaner, was als Chon bezeichnet und durch die Wörter Heimat und Mutter symbolisiert wird, homogenisiert das koreanische Volk. Die Heimatlosen zeigen wie tief dieses Gemüt im Bewusstsein der Koreaner wurzelt. 1998 genehmigte Nordkorea den Besuch von südkoreanischen Touristen in das Diamantgebirge, das für die Koreaner eine symbolische Bedeutung hat.
Hier im Diamantgebirge fühle ich mich wie in der Heimat. Meine Mutter hat mir immer erzählt, wie sie als Schülerin das Diamantgebirge bestiegen hat. Ich freue mich, dass ich mit meiner Frau das Diamantgebirge betreten kann. |
Ein halbes Jahrhundert ist seit dem Koreakrieg vergangen indem viele Koreaner in den Süden geflohen sind. Diese Heimatlosen haben bittere Tränen vergossen als sie den Boden ihrer Heimat im Norden nach langem mal wieder betreten konnten. Man sagt, dass selbst ein fremder Ort eine Heimat wird, wenn man längere Zeit dort lebt.
Aber warum können denn die Koreaner ihre Heimat, die sie verlassen haben, nicht vergessen?
Es kommt daher, weil die Mutter und die Heimat in der sie lebte der Ursprung von Chon ist. Die Liebe der Mutter wird häufig mit Wasser verglichen. Wasser, das ununterbrochen durch eine Mauer rinnt, selbst wenn man sie ständig abdichtet. Die opferbereite Liebe die die koreanischen Eltern ihren Kinder entgegen bringen, ist fast kultisch. Im Westen machen sich die meisten Kinder mit 18 Jahren selbstständig. In Korea ist das nur selten so. Denn die koreanischen Eltern neigen dazu, ihre Kinder ihr Leben lang in ihrem Schoß zu hüten. Die Europäer würden es z.B. nicht verstehen, wenn eine 80jährige Mutter ihrer 60jährigen Tochter besorgt sagen würde, sie solle auf der Strasse auf die Autos aufpassen. Was in Korea dagegen als selbstverständlich angesehen wird. Wenn koreanische Eltern an traditionellen Festtagen von ihren erwachsenen Kindern besucht werden, dann packen sie ihnen viele leckere Speisen zum Mitnehmen ein.
Die Kinder freuen sich sehr, wenn ihre Eltern ihnen etwas zum Essen mitgeben. Aus Dankbarkeit verbeugen sie sich mehrmals. Das alles ist die Ausdrucksweise von Chon. Was einem die Eltern eingepackt haben, isst man nicht allein, sondern teilt es mit den Nachbarn. Dabei sagen sie "Probieren sie mal die Speisen, die meine Eltern zubereitet haben". Aber der älteste Sohn nimmt die Speisen der Eltern häufig nicht mit, denn er ist um seine Eltern besorgt, und will dass die Eltern es selber essen. Dieses Gemüt ist Chon. |
Die Verbindung zwischen den koreanischen Eltern und ihrer Kinder ist sehr fest. Sie verleiten den Koreanern eine eigentümliche Identität die im Westen nicht zu finden ist. Dieser Zusammenhalt ist auch die treibende Kraft für den Fortschritt der Gesellschaft.
Professor Choi San-Gin hat wieder das Wort:
Die Beziehung zwischen den koreanischen Eltern und Kindern ist einzigartig. Die koreanischen Eltern betrachten sich und ihre Kinder als eine Einheit. Sie denken, dass sie alles was sie für ihre Kinder tun, für sich selbst tun. Das ist Kernpunkt des Begriffes Chon. Im strengen Sinne sind Kinder selbstständige Personen. Aber die koreanischen Eltern denken, dass sie ein erfolgreiches Leben führen, wenn die Kinder erfolgreich sind. Das ist die einzigartige Ausdrucksweise von Liebe in der Familie, die das Wort Chon am besten ausdrückt. Die koreanischen Mütter sagen zu ihren Kindern z.B. "Wenn Du nicht fleißig lernst, dann schmerzt Du mich". Es ist der Austausch von Gefühlen. Chon ist es, jemanden psychisch zu unterstützen. In Korea ist die Familie der Ursprungsort dieser Gefühle. |
Wenn ein Baum älter wird, bilden sich im Querschnitt seines Stammes Jahresringe. So wächst der Baum von Jahr zu Jahr. Im Leben der Koreaner wird das Empfinden von Chon mit dem Alter immer stärker und tiefer. Im Laufe des Leben geht man viele Beziehungen ein und bricht sie wieder ab. All diese Beziehungen basieren auf dem für Koreaner eigentümlichen Gemüt Chon.
Im Tae-Chok, Professor für Zeitungs- und Pressewesen der Kwangung - Universität erzählt über den Ursprung und über die Sorgen von Chon:
Die Mutter ist die erste Person, die ein Mensch nach der Geburt zu sehen bekommt. Kinder nehmen die Liebe der Mutter als erstes wahr. Die Liebe zwischen den Eltern und Kindern, die in Korea Chon genannt wird, ist vertikal. Dann gibt es noch ein Chon, das Kinder empfinden, wenn sie größer werden und Freunde oder Freundinnen kennen lernen. Dieses Chon ist horizontal. Daraus entstehen Freundschaften oder Liebesbeziehungen. Ein Mensch empfindet auch für Gegenstände ein gewisses Gefühl von Chon, z.B. das Chon für die Heimat, das bei Kindern, bei denen ihre Eltern ihre Heimat verloren haben besonders stark ist Sie haben nie die Heimat ihrer Eltern gesehen, dennoch empfinden sie eine Art Sehnsucht. Die Grundschule, oder die Tische oder Bänke in der Grundschule oder die Tische oder Bänke im Klassenzimmer können ebenfalls ein Objekt für Chon sein. Die Koreaner empfinden für alles, zu dem sie eine längere Zeit eine bestimmte Beziehung hatten, ein Gefühl von Chon. |
Wir haben bisher über Elternliebe erzählt, die eine Seite des für die Koreaner charakteristischen Gemüts Chon ist. Die Liebe einer Mutter zu ihren Kindern ist warm und stark. Die Beziehung zwischen einem Ehepaar kann ebenfalls mit dem Begriff Chon definiert werden.
Die Koreaner sollen gegenüber ihrem Ehepartner Chon empfinden, wenn sie seine schwache Seite zu sehen bekommen. Vielleicht weil sich dieses Gemüt nur langsam nach langer Zeit entwickelt. Man sagt, dass Chon stärker als Liebe sein soll. Wahrscheinlich weil man erst feststellen kann, dass man jemanden gegenüber Chon empfunden hat, wenn man nach langer Zeit zurückblickt.
Professor Choi San-Ing erzählt:
Chon empfindet man erst, wenn man mit jemanden längere Zeit Kontakt hatte. In Korea sagt man, dass man nicht merkt, dass die Kleider im Nieselregen durchnässt werden. Das heißt, dass selbst der schwächste Einfluss stark einwirkt, wenn man sich für längere Zeit unter diesem Einfluss befindet. Chon entwickelt sich ganz unbewusst. Erst später nach langer Zeit kann man feststellen, ob man zu jemanden Chon empfunden hat. In Korea ist die Beziehung zwischen Schwiegertochter und Schwiegermutter häufig schlecht. Aber wenn eines Tages die Schwiegertochter z.B. auszieht, dann merkt die Schwiegermutter dass sich gegenüber ihrer Schwiegertochter doch ein Gefühl von Chon entwickelt hatte. |
Zwischen einem Ehepaar wird Chon nicht ausgedrückt. Ein Dichter verglich das Wort Ehefrau mit einer lang aufbewahrten Bohnenpaste. Müsste man die Beziehung zwischen einem koreanischen Ehepaar mit einem Geschmack beschreiben, wäre das Wort "geschmacklos" angemessen.
Hören wir uns mal die Geschichte eines alten Ehepaars an, die die gefühllos scheinende Beziehung der koreanischen Ehepaare repräsentiert:
Am Amdok-Bach, dem Oberlauf des Tomjik-Flusses vor dem Abhang des Chiri-Gebirges befindet sich das Hakdung - Dorf. Dort lebt ein altes Ehepaar, das bald sein 60. Hochzeitstag feiert. Der Mann heißt Han Sue-Song und ist 79 Jahre alt. Jeden Tag versammeln sich die älteren Dorfbewohner als würden sie alle zur gleichen Familie gehören.
Herr Han Sue-Song:
Für alle gleichaltrigen habe ich eine gewisse Zuneigung. In Korea rechnet man das Alter nach 12 Tierzeichen. Leuten gegenüber, die das gleiche Tierzeichen wie ich habe, empfinde ich Chon. Auch die Beziehung mit meiner Frau wird von Chon bestimmt. Wenn ich mich entschuldige, nachdem wir uns gestritten haben, dann versöhnen wir uns wieder. So vertieft sich das Chon zwischen mir und meiner Frau. |
Unter den alten Männern, die sich am Eingang des Dorfes versammelt haben, fällt Han´s Kleidung besonders deutlich auf. Denn er hat heute extra einen grünen Herrenmantel angezogen, um seine Frau zum Zahnarzt zu begleiten.
"Meine Frau war schon dreimal beim Zahnarzt. Ihr darf es nirgendwo weh tun, Geld ist nicht wichtig. Wichtiger ist meine Familie - vor allem meine Frau. Die Gesundheit geht allem anderen vor. Ich bin sehr bekümmert, wenn meine Frau krank ist, oder wenn es ihr irgendwo weh tut. Ich muss früher sterben als meine Frau, denn ich werde nicht sehen können, wie meine Frau stirbt." Wir haben einfach zusammen gelebt, es gab keine besonders schweren noch gute Zeiten. |
Ohne besondere Freuden und ohne besondere Leiden, die alte Frau sagt, dass sie ein fast gefühlloses Eheleben geführt hat:
Am Tag der Hochzeit hatten wir uns zum ersten Mal gesehen, ich habe 7 Kinder zur Welt gebracht, das ist das einzige, was ich für ihn getan habe. Die Beziehung zwischen mir und meinem Mann war nicht schlecht aber auch nicht gut, wir haben unsere Liebe nie richtig ausgedrückt, sondern wie Fremde zusammengelebt. Alle in meinem Alter haben ein ähnliches Leben geführt. |
Wie konnte das Ehepaar dann 60 Jahre lang zusammen leben? Was war es, die die beiden so lange zusammenhielt?
Als wir noch jung waren, haben wir uns häufig gestritten. Wir waren relativ arm. Aber wenn mein Mann etwas Geld verdiente, dann brachte er es nicht nach Hause, sondern gab es für Alkohol aus. Betrunken und singend kam er dann nach Hause. Ich schämte mich dann vor den älteren in der Familie. Als ich heiratete, lag mein Schwiegervater erkrankt im Bett. Ich musste weben, um die Familie zu ernähren, was mich davon abhielt auszureisen, war das Chon gegenüber meinem Mann. In meine Kinder habe ich alle Erwartungen gesetzt. |
Während sich das Ehepaar stritt und zusammen die Kinder aufzog, vertiefte sich das gegenseitige Chon. Nun ist dieses Gefühl eine Mischung aus Liebe, Freundschaft und Mitleid so tief geworden, dass der Ehepartner wichtiger ist als der eigene Körper.
"Ich möchte lieber dass ich krank bin, statt dass meine Frau krank ist. Wenn meine Frau krank ist, dann fühle ich mich nicht wohl. Dies schmerzt mich sehr. Es ist ein großes Glück, wenn man sterben kann ohne im Leben krank zu werden. Man muss gesund bleiben und sich um seinen Ehepartner wortlos kümmern. Genau so wortlos sollte man ihn auch verlassen."
Die Beziehung zwischen diesem Ehepaars ist wie leichtes Fieber bei einer Erkältung. Nicht heiß und nicht kalt. Man fühlt sich nicht gut, aber es tut auch nicht weh. Chon vertieft sich, ohne dass man es spüren könnte. In Korea sagt man, dass ein Ehepaar gegenseitig erst ein Gefühl von Chon spüren kann, wenn es gute 60 Jahre zusammen gelebt hat.
Vergleichen wir einmal die Liebe eines westlichen Ehepaars und das Chon eines koreanischen Ehepaars.
Ein westliches Ehepaar küsst sich erst einmal wenn es morgens aufsteht. In Korea ist dies nur selten der Fall.
Kim Young-Jon, Professor für Zeitungs- und Pressewesen in der Taejing - Universität erzählt über das Chon eines koreanischen Ehepaars:
Koreanische Eheleute verhalten sich ihrem Partner gegenüber ziemlich gleichgültig. Aber durch diese gleichgültig erscheinende Beziehung vertieft sich im Laufe des Lebens das Gefühl von Chon. Es gibt viele Ehepaare, die 50 oder 60 Jahre lang zusammengelebt aber kein einziges Mal gesagt haben, dass sie den Ehepartner lieben. Ein Merkmal von Chon ist es, dass man seine Gefühle sehr zurückhält. Wenn man seine Liebe ausdrückt, macht man es auf sehr barsche weise. Manchmal nörgelt man auch am Ehepartner herum um sich auszudrücken. |
Trotz der weder heißen noch kalten Beziehungen leben die koreanischen Ehepartner bis zu ihrem Tod zusammen. Ein solches Eheleben wurde als die Voraussetzung für ein glückliches Leben betrachtet. Das ist auf das Gemüt der Koreaner zurückzuführen, denn Chon ist ein Gefühl das man nicht leicht empfindet aber auch nicht leicht vergisst.
Soziologieprofessor der Yonghi - Universität, Chung Buk, erzählt:
Es ist nicht leicht jemanden gegenüber ein Gefühl zu empfinden, das man Chon nennen könnte. Auf der anderen Seite geht dieses Gefühl nicht leicht verloren wenn es sich einmal entwickelt hat. Das ist der Unterschied zwischen Liebe und Chon. Liebe erlischt schnell wenn man sich einmal von jemanden innerlich abgewendet hat. Aber Chon bleibt auch in diesem Fall übrig. Chon bildet sich nicht nur durch gute, sondern auch durch schlechte Beziehungen. Daher sagt man, dass Chon sehr zäh ist. Zu dieser Eigenschaft sagt man auch, dass Chon feucht und nicht trocken ist. |
Wie Professor Chung gesagt hat, ist Chon so feucht wie Tränen. Ein Mensch ist einsam, und weil er einsam ist, sucht er jemanden, dem er Chon entgegenbringen kann. Das ist der Grund, warum sich Chon in ein gemischtes Gefühl von Wut, Treue und Traurigkeit entwickeln kann, das auf koreanisch kurz Han genannt wird. Je tiefer das Chon ist, desto größer kann auch das Gefühl von Han werden.
Professor Im Gae-Tok, der Kwanmon - Universität sagt, dass das Gemüt der Koreaner mit den beiden Begriffen Chon und Han beschrieben werden kann.
In den Nachbarländer China oder Japan gibt es den Begriff Han nicht. Denn in China und Japan ist es gesellschaftlich erlaubt, sich an jemanden zu rächen. Aber in Korea erlaubt dies die Gesellschaft nicht. Daher gibt es keinen Weg, eine unrecht empfundene Tat zu vergelten. Wenn sich Wut oder Traurigkeit anstaut, bildet sich ein Gemütszustand, der in Korea Han genannt wird. Wenn man z.B. jemanden heiraten will, aber die Eltern dagegen sind, dann entwickelt sich ein Gefühl von Han. Chon und Han sind die beiden Schlüsselbegriffe, die das Gemüt der Koreaner bilden. Im Gemüt der Koreaner coexistieren diese beiden unterschiedlichen Gefühle. |
Die Koreaner entwickeln in der Vergangenheit Chon, das ihnen eine neue Zukunft verspricht. Chon ist eine für die Koreaner einzigartige und typische Geisteskultur. Auch in der Kunst ist dieses Gemüt leicht zu entdecken.
Im P´ansori - Stück Ch´unhyangka verspricht sich ein Liebespaar ihre Liebe, die auf Erden nicht vollendet werden konnte, im Himmel weiterzuführen. In diesem traditionellen Opernstück fällt der Begriff Chon ins Gewicht. Chon ist hier eine schwere Last. Besonders in der Szene, wo sich das Liebespaar verabschieden muss.
"Ein Schritt ist so schwer wie tausend Eisen. Zwei Schritte sind so schwer wie zehntausend Eisen" singt die Hauptfigur Yi Mong-Ryong, der sich von seiner Liebe Ch´unghyang verabschieden muss.
In einem anderen P´ansori - Stück namens Shimch´ongka kommt ein Mädchen vor, das sich an die Seeleute verkaufen lässt, um die Augen ihres blinden Vaters zu öffnen. Auch in diesem Stück ist das Chon zu ihrem Vater eine schwere Last. Denn sie liebt ihren Vater, aber gerade deshalb verlässt sie ihn und opfert sich.
Nicht nur Bühnenwerke, auch viele literarische Werke stellen die für die Koreaner charakteristischen Gefühle fein und ausführlich dar.
Ich zerschneide die lange Nacht eines Wintermonats und verwahre im Frühlingswind ein Stück davon unter meine Decke auf. In der Nacht, in der meine Liebe zurückkommt, werde ich es wieder ausbreiten. |
Gedicht von Hwan Chi-Ni. Hwan Chi-Ni war eine Gesellschaftsdame mit einer künstlerischen Ader in der Choson - Dynastie. Der Ausdruck "Die lange Nacht zerschneiden und unter der Decke aufbewahren" ist wirklich großartig. Weiter schrieb Hwan Chi-Ni :"dass sie die vergangene Zeit der einsamen Nacht wieder herausholen wird, wenn ihre Liebe wieder zurückkommt". Dieses Gedicht macht den Eindruck, dass die Koreaner Chon wie ein lebendiges Wesen betrachteten. Ein koreanischer Dichter bezeichnete Chon als ein Schmetterling mit nassen Flügeln und ein in Salz eingelegtes weißes Kohlblatt. Ein anderer Dichter schrieb, dass man einen leichten Körper der wie eine Weide im Wind weht, mit einer Hand hochhalten kann. Aber dass ein Körper der wegen Chon weint, selbst 10 kräftige Männer nicht tragen können. Es gibt auch verschiedenen Stufen von Chon.
Chon kann warm, heiß aber auch kalt sein. Chon ist etwas anderes als Liebe. Es gibt aber auch ein Chon, das man eher mit Freundschaft bezeichnen könnte. Auch dieses Chon bildet ein wichtiges Teil des Gemüts der Koreaner. Die Warmherzigkeit der Koreaner gegenüber den Nachbarn gehört zu dieser Art von Chon. Früher gab es in Korea in jedem Jahr eine Hungerzeit namens "porigoke". Wenn der Reis, der im Herbst geerntet worden war zu Ende ging, und im Frühling die Gerste auf den Feldern noch nicht reif war, dann hatten viele nichts zu Essen. Aber die Koreaner haben diese Hungerszeit jedes Jahr gut überstanden. Das war möglich, weil man sich gegenseitig geholfen hat. In Korea gibt es viele alte Bräuche, bei denen man sich etwas zu Essen teilt. So z.B. das sogenannte Hofputzen.
Wenn eine Familie nichts mehr zum Essen hatte, dann gingen die Erwachsenen in der Morgendämmerung mit einem Besen zu einem Reichen im Dorf und fegten den Hof. Natürlich nicht, weil es der Reiche befohlen hatte. Wenn der Reiche dann im frühen Morgen feststellte, dass jemand den Hof gefegt hatte, dann ließ er seine Knechte herausfinden, wer es war. Den Wohltätern schickte er dann etwas zum Essen. Die arme Familie fühlte sich nicht beleidigt, weil es der Ausgleich für ihre Arbeit war. Es war üblich, dass man dem Nachbar über die Mauer verschiedene Speisen überreichte. Die Koreaner begrüßen sich auch heute noch mit "Haben Sie schon gegessen?" und unterhalten sich danach über verschiedene Themen. Allerdings nicht nur aus Höflichkeit.
Yi Chun-Il, ehemaliger Professor der Yonsei - Universität erzählt über diese Gewohnheiten der Koreaner.
Seit 5000 Jahren leben die Koreaner in einem Land mit ausgeprägten 4 Jahreszeiten. Das veränderliche Klima hat das koreanische Volk sehr empfindlich gemacht. Wenn es zu kalt war, so wie wenn es zu warm war, machte man sich Sorgen. Unter diesen Umständen lernte man, dass Chon sehr wichtig für das gemeinsame Leben ist. Chon ist ein wichtiger Faktor, der das Leben der Koreaner stützt. |
In jedem Land empfinden die Menschen ein Gefühl, das mit Chon vergleichen könnte. Aber diesem Gemüt wird überall unterschiedliche Bedeutung beigemessen. Das Chon der Koreaner ist nicht zu heiß, es löscht den Durst der Menschen. Es löst alle angestauten Feindschaften zwischen den Menschen. Im 20. Jahrhundert hat Korea glänzende Fortschritte gemacht. Dank ihres charakteristischen Gemüts konnten die Koreaner ohne besondere Schwierigkeiten ins 21. Jahrhundert eintreten. Dieses Gemüt, das als Chon bezeichnet werden könnte, hat die Koreaner fest zusammengehalten. Die geistige Kultur sollte auch in Zukunft aufrecht erhalten bleiben.
( aus der zehnteiligen Sondersendung von Radio Korea International mit dem Titel: "Die Koreaner auf der Suche nach der Urform ihres Lebens" 3. Teil )
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